TV-KRITIK

Finale an der Grenze zum Klischee

von Redaktion

Dagmar Manzel verabschiedet sich mit der Folge „Trotzdem“ als fränkische „Tatort“-Kommissarin

Zum Auftakt singt Barry McGuire „Eve of Destruction“, was ja so viel heißt wie „Vorabend des Weltuntergangs“ – man hätte also gewarnt sein müssen. Dass sich die Macher von „Trotzdem“, dem Ausstiegs-„Tatort“ (ARD) für Dagmar Manzel, etwas Besonderes ausgedacht haben, kündigt sich jedoch nur langsam an, in skurrilen Dialogen, an denen wie so oft Fabian Hinrichs‘ heiter-melancholischer Felix Voss beteiligt ist. Lenni Kranz, ein unschuldig wegen Mordes Verurteilter, nimmt sich in der Haft das Leben. Voss und die gütig-resolute Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) befragen daraufhin nochmals weitere Verdächtige von damals. So weit, so klassisch. Doch die Ermittlungsarbeit tritt mehr und mehr in den Hintergrund, mit der wortkargen Wut von Lennis Schwestern (Anne Haug und Mercedes Müller) nimmt das Unheil seinen Lauf, auch das inszenatorische. Das hier muss wohl unbedingt in einer Katastrophe enden, es kommt zu einem tödlichen Racheakt, dem der wahre Täter zum Opfer fällt, ein noch größeres Blutbad ist die Folge.

Die Drehbuchautoren Max Färberböck und Stefan Betz zeichnen (Rumpf-)Familien, die außer sich sind vor Schmerz und Trauer, die Mord nur mit Mord vergelten können. Färberböck (zusammen mit Danny Rosness auch Regie) ist erkennbar darum bemüht, die Gefühle seiner Protagonisten zu überhöhen, er zeichnet verweinte, versteinerte, verzerrte Gesichter in Nahaufnahme, liefert ikonische Bilder wie das vom Killer (Gerhard Liebmann), der seinem Auftraggeber (Fritz Karl als „Firmenboss“ vor den Trümmern seiner Existenz) noch etwas schuldig ist. Hier gibt es keinen Alltag (mehr), entsprechend unbelebt wirken die Settings. Wurde hier je gearbeitet? Färberböck und Betz kreieren kurze Dialoge hart an der Grenze zum Klischee, die an angestaubte Krimis wie „Derrick“ denken lassen („Er lebt nicht mehr, er ist tot“). Begleitet von düsterem Streicherklang, verwandelt sich dieser „Tatort“ mehr und mehr in eine Art Western. Schüsse knallen, Menschen sterben, Finale auf freiem Feld, unter schnell ziehenden Wolken. „It‘s all over now, Baby blue“ (Bob Dylan). Das will kunstvoll sein, archaisch, wirkt aber über weite Strecken extrem angestrengt. „Wir tun, was wir können, aber wir scheitern immer wieder“, buchstabiert Paula Ringelhahn tonlos in der fränkischen Pampa das Schicksal aller Kriminalisten. Tja.

Auch ihr Abschied ist überdehnt und überzeichnet, man spürt den Willen der Macher zum Melodramatischen, doch feuchte Augen und ein entrücktes „The Sound of Silence“ (Paul Simon), von der Pensionistin in spe im Kreise der Kolleginnen und Kollegen leise gesungen, wirken seltsam unecht – wie leider dieser ganze Film.
RUDOLF OGIERMANN

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