INTERVIEW

Meine Sehnsucht nach dem Westen

von Redaktion

Schauspielerin Claudia Wenzel spricht über ihr Leben in der früheren DDR und ihr zerrissenes Herz

Auf den Spuren ihrer Vergangenheit: Schauspielerin Claudia Wenzel beim Besuch am Brandenburger Tor in Berlin. © E. Schneider/Schneider-Press

Sie hätte gehen können, aber sie blieb: 30 Jahre lebte und arbeitete Schauspielerin Claudia Wenzel im Sozialismus. Sie wuchs in Lutherstadt Wittenberg auf, durchlebte eine glückliche Kindheit, konnte sich in der Schauspielerei entfalten. Und doch: „Wir im Osten schauten immer nach dem Westen (….) immer war da diese Sehnsucht, auch so leben zu können“, schreibt sie jetzt in ihrem ersten Buch „Mein Herz ließ sich nicht teilen“. Sie schrieb es, weil sie noch heute, 35 Jahre nach dem Mauerfall, findet, dass in den Köpfen immer noch in Ossi und Wessi unterschieden wird.

Ihre Familie war geteilt wie das Land. Ihre Oma lebte in Bayern, Ihre Eltern in Sachsen-Anhalt. Wie war das für Sie?

Ich habe es einfach nie verstanden, warum ich in den Sommerferien nicht einfach zu meiner Oma nach Bayern fahren konnte. Meine Oma kam in den Sommern zu uns nach Lutherstadt Wittenberg. Für sechs Wochen hatte sie dann immer ein Visum. Meine Oma hat viel von der schönen BRD erzählt, vom Westen, wo es alles gibt, und auf die „Zone“ geschimpft. Das haben wir Kinder nie verstanden, sondern uns über all die tollen Westgeschenke gefreut.

Als Schauspielerin hätten Sie die Möglichkeit gehabt, nach einem Engagement im Westen zu bleiben…

Ich habe sehr mit mir gekämpft, als ich das erste Mal im Westen zu einem Gastspiel war. Dieser andere Teil Deutschlands hat mich begeistert, vor allem die Offenheit und die vielen Gespräche, die Sauberkeit der Städte, das Bunte. Das hatte ich so nicht erwartet – vom „bösen Kapitalismus“. Wenn ich im Westen geblieben wäre, hätten alle in meiner Familie Nachteile gehabt. Das hätte ich nicht ertragen können. Der Titel meines Buches sagt das auch: „Mein Herz ließ sich nicht teilen.“ Deutschland war geteilt, aber ich konnte mein Herz nicht teilen. Ich hätte nicht im Westen leben können mit dem Wissen, meine Familie, alle meine Freunde leben im Osten, und ich kann sie nicht mehr sehen.

Wo waren Sie am Tag des Mauerfalls?

Ich habe Theater gespielt in Leipzig und wunderte mich während der Aufführung, warum es so laut war. Nach der Aufführung sind wir in den Aufenthaltsraum gegangen, wo ein Fernseher stand. Als wir die Bilder sahen, dass die Mauer tatsächlich gefallen war, haben wir die ganze Nacht durchgefeiert. Am nächsten Tag bin ich zur Polizeistation in Leipzig, habe mir den Visum-Stempel in meinen DDR-Ausweis geben lassen, und dann bin ich nach West-Berlin gefahren und habe gefeiert!

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