INTERVIEW

Aus dem Leben gerissen

von Redaktion

Das Schauspiel-Ehepaar Harald Krassnitzer und Ann-Kathrin Kramer glänzt in berührendem Schlaganfall-Drama

Geschafft! Die Ehe von Sabine (Ann-Kathrin Kramer) und Stefan (Harald Krassnitzer) ist über den Berg. © MDR

Sie haben schon einige Theater- und Filmprojekte gemeinsam bestritten. Doch so intensiv wie im Fernsehfilm „Aus dem Leben“, den das Erste heute um 20.15 Uhr zeigt, ging es beim Schauspiel-Ehepaar Krassnitzer selten zu. Ann-Kathrin Kramer spielt die Lehrerin Sabine Schuster, die einen Schlaganfall erleidet, Harald Krassnitzer ihren Mann Stefan, der der Situation zunächst hilflos gegenübersteht. Die Krise führt beide an ihre Grenzen und offenbart die Schwächen, die ihre Beziehung schon vor der Krankheit hatte. Im Interview sprechen Krassnitzer (64) und Kramer (58) über Sterbehilfe, die Defizite von Männern in Sachen Pflegearbeit – und darüber, wie sie es bei einem so emotionalen Filmprojekt schaffen, Berufliches und Privates zu trennen.

Ist „Aus dem Leben“ ein Film über Krankheit oder eher über Liebe?

Harald Krassnitzer: Ich würde sagen, es ist ein Film über das Leben. Darüber, dass das Leben auch Punkte beinhaltet, die einen plötzlich völlig aus der Bahn werfen können. Und dass die Liebe unter diesen Umständen auch wachsen kann. Aber im Wesentlichen ist es ein Film über das Lernen des Lebens.

Frau Kramer, wie haben Sie sich vorbereitet auf die Rolle der plötzlich halbseitig gelähmten Sabine?

Ann-Kathrin Kramer: Natürlich habe ich versucht, mich glaubwürdig in diese Körperlichkeit hineinzuarbeiten und vor allen Dingen in das, was es seelisch bedeutet, einen Schlaganfall zu erleiden. In Form von Theorie, aber ich habe auch Menschen getroffen, die das durchgemacht haben. Für mich war wesentlich, was da im Inneren passiert – wie sich diese Menschen fühlen.

Wie geht man mit der Verantwortung um, einem solchen Thema gerecht zu werden?

Krassnitzer: Indem man darauf achtet, dass man dem Thema und den Betroffenen gerecht wird. Dass man nicht irgendeine billige Farce daraus macht, sondern versucht, die Gefühle ernst zu nehmen – die der Patienten, aber auch die der Angehörigen. Wenn jemand einen Schlaganfall erleidet, dann trifft es die ganze Familie. Das ist ein Impact, der auf ein ganzes soziales Umfeld wirkt. Das war für uns ein ganz wichtiger Punkt. Die Statistiken sagen, dass 80 Prozent der Frauen in so einem Fall bei ihren Männern bleiben und sie pflegen. Im umgekehrten Fall aber 80 Prozent der Männer ihre Frauen verlassen, wenn sie in diese herausfordernde Pflegesituation kommen. Daraus kann man verschiedene Dinge ablesen – in erster Linie aber, dass Männer Care- und Pflege-Arbeit nicht gelernt haben.

Was wussten Sie bis zu diesem Filmprojekt über das Thema Schlaganfall?

Kramer: Was ich wusste, ist, dass die Zahlen steigen. Dass es mehr und mehr zur Volkskrankheit wird, und Schlaganfälle vermehrt auch jüngere Menschen treffen. Dass man daraus also auch ableiten kann, dass unsere Lebensumstände nicht die besten sind.

Also zu viel ungesunde Ernährung, zu wenig Bewegung …?

Kramer: Ja, aber auch mentale Gründe, Überforderung.

Krassnitzer: Stress, Arbeitsdruck. Das Erstaunliche ist: Viele der Betroffenen, die wir kennengelernt haben, waren durchaus sehr fitte Menschen. Also Leute, die regelmäßig Sport betrieben haben. Ann-Kathrin hat mit einer Krankenschwester gesprochen, die einen ganz erfüllten Beruf hatte, aber eben auch sehr viel Arbeitsstress. Das sind also auch wesentliche Faktoren.

Als Zuschauer meint man Ihre große private Nähe zu spüren, gerade in diesem intensiven Film. Ist die private Nähe für Ihre gemeinsame Arbeit relevant?

Krassnitzer: Nein, eigentlich gar nicht. Das ist etwas, was wir während des Drehs total weit weggeben. Das beginnt damit, dass wir immer getrennte Hotelzimmer haben, wenn wir gemeinsam drehen. Erstens, weil wir unterschiedliche Zeiten haben, wo wir am Set sein müssen. Zweitens, weil es ganz wichtig ist, dass man das Ganze auch unterschiedlich verarbeitet. Am Set ist sowieso nur eine Prämisse wichtig: Wie erzählen wir eine gute Geschichte? Und da ist die Frage, ob wir jetzt ein Paar sind oder nicht, völlig irrelevant.

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