„Dieses Mitgequatsche am Drehbuch ist eine Unsitte“: Als Schauspieler macht Harald Schmidt, was man ihm sagt. Sagt er. © dpa
Der weiße Kittel steht ihm gut – Harald Schmidt spielt in der gerade unweit des baden-württembergischen Ravensburg abgedrehten Fernsehserie „Tschappel“ einen Dorfarzt. Die achtteilige Produktion ist nächstes Jahr bei ZDF Neo zu sehen und dreht sich um die Abenteuer Heranwachsender auf dem Land. Der 67-jährige Schwabe Schmidt mit Wohnsitz Köln, bekannt und berüchtigt geworden als „Chefzyniker“ des deutschen Fernsehens, hat sich weitgehend aus dem Showgeschäft zurückgezogen. Seit dem Ende der „Harald Schmidt Show“ vor zehn Jahren ist er nur noch hin und wieder in der ZDF-Reihe „Das Traumschiff“ zu sehen.
In der ZDF-Neo-Serie „Tschappel“ haben Sie einen Gastauftritt als Dorfarzt. Wie haben Sie die Rolle angelegt?
Es beginnt mit einer sehr subtilen Szene, was anderes hätte ich künstlerisch abgelehnt. Ich begutachte die Hoden eines verunfallten jungen Mannes, und mein erster Satz ist: „Kühlen, kühlen, kühlen!“ Dann gibt es Entwarnung von meiner Seite, die Hoden sind voll funktionsfähig, und ich sage: „Viel Spaß damit.“
Das steht auch so im Drehbuch?
Aber natürlich, das Grauenhafteste ist es doch, wenn Schauspieler am Drehort anfangen über den Text zu diskutieren, wenn sie zum Regisseur sagen: „Das sagt meine Figur doch nicht, das find ich blöd.“ Die allerdümmsten Schauspieler wollen am Drehort den Text so ändern, dass sie sympathischer wirken. Dieses Mitgequatsche am Drehbuch ist eine Unsitte. Da bin ich ein totaler Verteidiger der Autoren.
Halten sich echte Profis eher ans Drehbuch als unbekannte Schauspieler?
Absolut. Und was mich betrifft gilt: Ich bin ja faul. Jedes Diskutieren am Set kostet ja wertvolle Zeit, in der ich schon ein Bier in der Kneipe nebenan trinken könnte. Ich halte mich da ganz an den großen Robert Mitchum, der gesagt hat: „Schauspielern heißt, lern deinen Text, stoß nicht an die Möbel und mach den Kollegen keinen Schatten.“ So einfach ist das. Und wenn mir der Regisseur sagt: „Stell dich mit dem Gesicht zur Wand und sage nichts“, dann mach ich das.
Haben Sie das Comeback von Stefan Raab verfolgt?
Nein, weil ich zu der Zeit mit meinem Kollegen und Freund Bernd Gnann praktisch jeden Abend auf irgendeiner Bühne stand und das Fernsehen eigentlich nur als Nachrichtenübermittler wahrgenommen habe – es gab für mich nur „heute journal“ und „Tagesthemen“, mehr nicht.
Auch keinen „Tatort“?
Nein, denn das ist ja das Dümmste, was es gibt. Wenn im „Tatort“ ein Kindergarten überfallen wird und naive Familienmitglieder zittern schon, sage ich: Macht euch keine Sorgen, im Ersten wird um 21.20 Uhr kein Kind mehr umgebracht. Es ist alles so vorhersehbar. Ich freu‘ mich für die Kolleginnen und Kollegen, die da mitspielen, wobei ich mich ehrlich gesagt frage, wie man von einer „Tatort“-Gage leben kann.
Sie waren vor einigen Jahren ja selbst mal im Gespräch für eine Rolle im Schwarzwald-„Tatort“.
Ich war sogar bei der Pressekonferenz, und da fiel mir plötzlich auf: Jetzt ist mein Spaß auch schon zu Ende. Meine Rolle als Polizeichef wäre gewesen, im Schwarzwald durchs nasse Laub zu schlurfen und irgendwo zu sagen: „Gibt’s schon Neues von der Spusi?“
Haben Sie eine Meinung zu Raabs Rückkehr?
Nein, weil ich sonst nur den Algorithmus füttere. Wenn ich in einem Interview sage, der und der gefällt mir nicht, oder der und der ist gut, dann haut das ja nur deren Präsenz bei Google nach vorne. Schluss damit, ich spreche überhaupt nicht mehr über Kollegen, sondern nur noch über mich.
Also gut – können Sie sich denn vorstellen, wie der Kollege Raab mit einer Show ins Fernsehen zurückzukehren?
Nein, weil das Fernsehen für mich von wenigen Ausnahmen wie „Traumschiff“ oder „Tschappel“ abgesehen uninteressant geworden ist. Ich reise viel lieber, als in irgendwelchen Studiokulissen rumzustehen.