Kult: Meryl Streep in „Der Teufel trägt Prada“. Vorbild für die Rolle war Wintour. © Archiv
Akkurater Bob und schwarze Sonnenbrille: Anna Wintours Look ist legendär. Genau wie ihr kritischer Blick auf den Modenschauen dieser Welt. © Jason Szenes/epa
Große dunkle Sonnenbrille, akkurat geschnittener Bob mit Stirnfransen und HauteCouture-Kleid: Anna Wintour hat sich selbst zur Marke mit Wiedererkennungswert gemacht. Als Journalistin hat sie es an die Spitze der US-Modezeitschrift „Vogue“ geschafft, seit 2020 ist sie für den Inhalt aller „Vogue“-Ausgaben weltweit und für fast alles, was der Condé-Nast-Verlag in den USA herausgibt, verantwortlich. Am Sonntag wird die Grande Dame der Modemagazine 75Jahre alt – ans Aufhören aber denkt sie nicht. „Ich liebe, was ich tue. Es fordert mich immer wieder heraus.“
Spätestens seit dem Erfolgsfilm „Der Teufel trägt Prada“ von 2006, in dem Meryl Streep eine auf Wintour basierende Chefredakteurin spielt, hat die „Vogue“-Herausgeberin den Ruf einer teuflisch-fiesen Chefin weg, die ständig das Unmögliche will und keinerlei Fehler verzeiht. Sie trägt es mit Fassung. „Manchmal gibt es da eine Art von persönlicher Kritik gegen mich, die wahrscheinlich ein Mann in meiner Position nicht abbekommen würde“, sagte die Mode-Ikone einmal. Delegieren könne sie nicht gut, gibt Wintour zu. „Ich bin kein kreativer Mensch, ich kann nicht malen, nicht zeichnen, ich kann nichts herstellen – ich muss einfach nur sicherstellen, dass alles richtig gemacht wird.“
Sie hoffe sehr, dass ihre Kollegen wüssten, wer sie sei „und was unsere gemeinsamen Werte sind. Und ich weiß, dass mein Sohn Charlie und meine Tochter Bee genau wissen, wer ich bin und wer ich nicht bin“, sagt Wintour, die zwischen 1984 und 1999 mit dem Kinderpsychologen David Shaffer verheiratet war. Wenn sie mit ihren Kindern und ihren drei Enkeln Zeit verbringe, spreche sie nicht über Arbeit. „Wir spielen Tennis und Blödelspiele. Das ist mein Trost.“
Geboren wurde Wintour 1949 in London als Tochter eines Zeitungsherausgebers. Mit 16 verlässt sie die Schule. „Ich war ehrlich gesagt nicht sehr gut. Und ich wollte unabhängig sein und mein eigenes Ding machen.“ Über erste Jobs in Kaufhäusern und verschiedenen Magazinen kommt Wintour zur US-„Vogue“, wo sie seit 1988 Chefredakteurin ist.
Die Magazinwelt um sie herum hat sich währenddessen komplett verändert. „Bei meinem ersten Job in Großbritannien war es eine tolle Sache, wenn wir 90 000 Menschen erreicht haben.“ Inzwischen hat allein das Instagram-Profil der „Vogue“ fast 50 Millionen Fans. Gleichzeitig sinken die Print-Auflagen, Werbeeinnahmen brechen weg. Wie die gesamte Branche sucht auch Wintour nach Rezepten dagegen – eines heißt: Stellung beziehen. Sie positioniert sich etwa im US-Wahlkampf auf der Seite der Demokraten. Die frühere First Lady Michelle Obama und die demokratische Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton feierte sie auf dem Cover der „Vogue“, die derzeitige Bewerberin Kamala Harris bekam bereits zwei Cover. Auch im Hinblick auf Donald Trump ist Wintours Meinung eindeutig. Was der tun könne, um wieder zur legendären „Met Gala“ eingeladen zu werden, mit der Wintour jedes Jahr im Metropolitan Museum die Party mit der begehrtesten Gästeliste New Yorks feiert? „Absolut nichts.“
CHRISTINA HORSTEN