„Josefa weiß sehr früh, dass sie eine Frau ist“, sagt Schauspielerin Adele über ihre Rolle. „Sie ist nur nicht im richtigen Körper geboren.“ Josef in jungen Jahren (im Hintergrund) wird von Riccardo Campione gespielt. © J. Krause-Burberg/BR (3)
Millionen Krimifans lieben die österreichische Schauspielerin Adele Neuhauser als warmherzige Wiener „Tatort“-Kommissarin Bibi Fellner. Im neuen Film „Ungeschminkt“ (heute, 20.15 Uhr, ARD) schlüpft die 65-Jährige nun in eine ganz besondere Rolle: Sie spielt eine Frau, die früher ein Mann war. Als Josef in einem Bergdorf geboren und aufgewachsen, floh sie vor 40 Jahren aus ihrer Heimat und unterzog sich einer Geschlechtsangleichung. Nach dem Tod der Mutter kehrt Josefa nun zurück und trifft Petra (Eva Mattes), die einmal ihre Ehefrau war. Wir sprachen mit Adele Neuhauser, die einen erwachsenen Sohn hat und in Wien lebt.
Bei den Dreharbeiten zu „Ungeschminkt“ haben Sie sich verletzt. Was genau ist passiert?
Das war wirklich sehr blöd. Ich fahre in diesem Film sehr viel Rad, und in einer Szene fahre ich einen abschüssigen Feldweg entlang. Bei der Probe hat es wunderbar funktioniert, aber dann bei der Aufnahme fuhr ich etwas schneller. Ich bin über den Lenker auf den ausgestreckten linken Arm und die Schulter gestürzt und habe mir zwei Brüche zugezogen. Eineinhalb Tage vor Drehende musste ich operiert werden.
Und wie geht es Ihnen jetzt?
Jetzt habe ich eine Platte mit neun Schrauben da drin. Es ist noch eine kleine Behinderung da, aber ich trainiere fleißig und komme zu immer mehr Beweglichkeit. Der Film musste ja auch irgendwann zu Ende gedreht werden – im Juni 2023 war der Unfall, im September 2023 habe ich die fehlenden Szenen nachgedreht. Dafür habe ich mich wieder aufs Rad gesetzt, bin aber dabei nicht gefahren.
Welche Parallelen gibt es zwischen Ihnen und der von Ihnen gespielten Figur der Josefa, die früher ein Mann war?
Da gibt es vieles. Josefa hat lange mit sich gehadert und damit gekämpft, sich zu finden, sich selber zuzulassen. Das ist mir nicht fremd, auch ich hatte oft das Gefühl, nicht in die Norm zu passen. Ich glaube, jeder Mensch durchläuft diese Höhen und Tiefen mit sich selbst, vor allem in der Pubertät. Josefa weiß sehr früh, dass sie eine Frau ist – sie ist nur nicht im richtigen Körper geboren. Irgendwann hat sie dann eine Geschlechtsangleichung gemacht.
Haben Sie sich in Ihrer Haut als Frau immer zu Hause gefühlt?
Nein, habe ich mich nicht. Ich war ein sehr burschikoses Mädchen. Vor vielen Jahren hatte ich ja auch wegen eines Ödems eine Stimmbandoperation, danach habe ich mich zum ersten Mal weiblich gefühlt. Davor war meine Stimme wesentlich tiefer, und wenn ich telefoniert habe, wurde ich sehr oft als Mann angesprochen: „Hallo, Herr Neuhauser“, hieß es dann. Also: Dieses ganze Thema schwirrt schon sehr lange bei mir herum, im Grunde ist es mir nicht fremd, weil auch ich lange auf der Suche nach meiner Identität war.
Die burschikose Pippi Langstrumpf war eine Heldin Ihrer Kindheit, wie Sie neulich in einem Fernsehporträt gesagt haben…
Pippi Langstrumpf war eine Identifikationsfigur für mich, absolut. Vielleicht ist sie das für jedes Mädchen. Sie hat eine unglaubliche Lebenslust, und sie hat eine unglaubliche Kraft. Sie ist so angstfrei! Das wünschen wir uns doch alle ein Leben lang für uns. Aber angstfrei zu leben ist nur möglich, wenn wir uns vollends annehmen, eins mit uns sind.
Fanden Sie die Idee, im Film eine Frau zu spielen, die früher ein Mann war, gleich überzeugend?
Uli Brée hat ja das Drehbuch geschrieben, und ich habe schon viele Bücher von ihm verfilmen dürfen. Er kennt mich sehr gut und weiß, was er mir alles zumuten und wie er mich herausfordern kann.
Uli Brée hat auch die „Tatort“-Kommissarin Bibi Fellner entworfen, die Sie seit vielen Jahren spielen. Müsste der „Tatort“ generell queerer werden?
Ich finde nicht, dass man da explizit noch mehr Druck drauflegen muss. Natürlich könnte man im „Tatort“ durchaus Geschichten erzählen, in denen es für queere Menschen nicht gut ausgeht, dafür gibt es ja leider viele Beispiele im wahren Leben. Ich denke aber vor allem, dass es mehr Filme braucht wie „Ungeschminkt“ – da geht es zunächst um die Verletzungen, die Josefa durchleben musste, und am Ende setzen sich alle an einen Tisch und finden einen Weg für die Zukunft. Das finde ich wunderschön.
Spielt man eine Transperson anders als andere Rollen?
Ich habe mich natürlich im Vorfeld eingehend informiert, unter anderem weil in der Vergangenheit ja oft die Frage im Raum stand, ob nur Transmenschen solche Personen spielen dürfen. Aber nicht nur deswegen, sondern weil es mir auch wichtig war, in den Stoff einzutauchen. Ich habe mit Betroffenen gesprochen, Dokumentationen darüber angeschaut, ich habe mich aufgeladen mit der Thematik.