Auch als Autorin äußerst produktiv: Schauspielerin Andrea Sawatzki schrieb bereits diverse „Familie Bundschuh“-Romane, hier liest sie aus ihrem Buch „Ein allzu braves Mädchen“ von 2013. © Picture Alliance
Axel Milberg tut es, Caroline Peters auch, und Andrea Sawatzki sowieso, „Tatort“-Darsteller ebenso wie Hollywoodstars – Romane zu schreiben ist für Schauspieler mittlerweile so normal wie Texte zu lernen und vor der Kamera zu stehen – oder zumindest beinahe. Die Zeiten sind vorbei, als Stars höchstens ihre Memoiren zu Papier brachten, womöglich noch mithilfe eines Ghostwriters, oder Kochbücher verfassten. Immer mehr Darstellerinnen und Darsteller werden Schriftsteller, laufend erscheinen neue Werke von mehr oder minder bekannten Stars und Sternchen. Da stellt sich natürlich die Frage, wie gut die belletristischen Ergüsse von Menschen, die hauptberuflich Texte von anderen vortragen, eigentlich sind.
Folgt man den Kritiken, dann reicht die Spanne von genial bis grottig. Hymnische Besprechungen bis hin zur Aufforderung „Schreiben Sie weiter!“ erhielt die 53-jährige Caroline Peters („Mord mit Aussicht“) für ihr Romandebüt „Ein anderes Leben“ über eine komplizierte Patchworkfamilie. Schlechter erging es „Tatort“-Star Axel Milberg, dessen bisher einzigen Roman „Düsternbrook“ der Deutschlandfunk als pointenarme und reizlose Anekdotensammlung abkanzelte. Anders sein Kollege Ulrich Tukur, dessen Roman „Der Ursprung der Welt“, eine Mischung aus Zukunfts- und Historienthriller, die Kritikerin unserer Zeitung als „glanzvolles Stück fantastischer, fesselnder Literatur“ lobte.
Doch auch wenn Starruhm nicht in jedem Fall vor Verrissen schützt – Belletristik von Schauspielern boomt. Oft ist die Handlung autobiografisch grundiert – Autofiktion nennt sich die Mischung aus Bekenntnis und Erfindung. Jörg Hartmann etwa, bekannt als exzentrischer Dortmunder „Tatort“-Kommissar, erzählt in „Der Lärm des Lebens“ von seinen Eltern und Großeltern. Sabin Tambrea („Babylon Berlin“) beleuchtet in „Vaterländer“ die Geschichte seiner rumänisch-ungarischen Familie. „Pastewka“-Star Matthias Matschke, aufgewachsen in der Nähe von Darmstadt, schreibt in „Falschgeld“ über eine Kindheit und Jugend in der hessischen Provinz der Achtzigerjahre. Christian Berkels Romane „Der Apfelbaum“ und „Ada“ beleuchten eindrücklich seine jüdische Familiengeschichte. Und Berkels Frau, Schauspielerin Andrea Sawatzki, verarbeitete 2022 im „Brunnenstraße“ ihre schwierige Kindheit. Als Autorin ist sie freilich schon viel länger aktiv, ihre launigen Romane über die fiktive Familie Bundschuh wurden vom ZDF verfilmt, inzwischen sind bereits acht Filme entstanden, ein neunter ist in Vorbereitung.
Für die Verlage sind die namhaften Autoren verlockend, denn die Vermarktung von Büchern bekannter Fernsehgesichter fällt leichter als die von unbekannten Schreibern. „Wenn ich Buchhalter wäre, wäre es mir wahrscheinlich schwerer gefallen, als über 50-jähriger Debütant einen Verlag zu finden“, weiß Schauspielstar Matthias Brandt, dessen tragikomischer Roman „Blackbird“ viel Anerkennung fand. Aktuell stehen schon wieder weitere Veröffentlichungen an. Andrea Sawatzki legt im Januar mit „Biarritz“ nach, und „Tatort“-Kommissarin Jasna Fritzi Bauer plant für kommenden Mai die Veröffentlichung ihres ersten Romans. „Else“ soll die Emanzipationsgeschichte einer Frau in der Bundesrepublik der Sechzigerjahre schildern, die heimlich den Taxischein macht.
Aber warum greifen eigentlich Schauspieler zur Feder, anstatt nur zu spielen? „Einen Text zu verfassen, eine ganze Welt zu kreieren, ist ein viel persönlicherer Vorgang“, sagt Johann von Bülow, dessen Roman „Roxy“ von einer Männerfreundschaft handelt. Er glaube zudem, dass das Schreiben für viele aus seiner Zunft eine Art Selbstermächtigung sei, nach dem Motto: „Jetzt habe ich jahrzehntelang als Schauspieler gemacht, was die Regisseure gesagt haben, jetzt will ich endlich auf die andere Seite und selber einmal Regie führen.“
In einer Sache sind sich Branchenkenner einig – in Deutschland war es der sensationelle literarische Erfolg von Joachim Meyerhoff, der den Boom schreibender Schauspieler auslöste. Der inzwischen 57-Jährige war lange Ensemblemitglied am Wiener Burgtheater. Richtig berühmt wurde er aber mit seiner Romanreihe „Alle Toten fliegen hoch“, die seit 2011 in loser Folge erscheint (unter anderen: „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“) und sich dem Verlag zufolge schon an die drei Millionen Mal verkauft hat. Kürzlich hat Meyerhoff mit „Man kann auch in die Höhe fallen“ Teil sechs vorgelegt – er wurde sofort zum Erfolg.
CORNELIA WYSTRICHOWSKI