Ein süß-säuerliches Trio: Greta (Diana Amft), Carla (Paula Kalenberg) und Marlene von Osterburken (Leslie Malton, von li.) in „Zitronenherzen“. © Chantale Eglin
TV-Journalistin Carla (Paula Kalenberg) hat mit Weihnachten nicht viel am Hut. Trauter Zweisamkeit unterm Tannenbaum und funkelnden Christbaumkugeln kann die resolute Reporterin nichts abgewinnen. Daher stört sie sich auch nicht daran, dass ihre Chefredakteurin (Jasmin Tabatabai) sie ausgerechnet an Heiligabend mit Kameramann Paolo (Langston Uibel) zu einem Termin abkommandiert: Sie soll die alljährliche Weihnachtslesung der ausschließlich unter ihrem Pseudonym bekannten, überaus erfolgreichen Kitschroman-Autorin Marlene von Osterburken (Leslie Malton) begleiten. Die sonst so coole Carla sträubt sich mit Händen und Füßen.
Warum, das wird in der Weihnachtskomödie „Zitronenherzen“, die das ZDF heute um 20.15 Uhr zeigt, schnell klar. Hinter dem klangvollen Künstlernamen verbirgt sich nämlich Carlas Mutter. Und mit der hat Carla seit Jahren kein Wort mehr gewechselt. Grund für das dauerhafte Zerwürfnis waren unter anderem die aufmüpfige Art der Tochter und die zunehmende Weltfremdheit der Mutter, die mit den Jahren und Romanheften immer mehr in ihrer eigenen Welt versank.
Als Carla und Paolo aber bei Carlas Mutter auftauchen, geschehen seltsame Dinge: Die alte Schreibmaschine, auf der Marlene seit Jahrzehnten ihre Geschichten verfasst, beginnt ein Eigenleben, und plötzlich findet sich die Feministin Carla aus Berlin in der Gestalt der selbstlosen Dorfbäckerin Lilia in dem malerischen Bergdorf Glocksberg wieder, in dem die Bände der „Alpenbäckerei“-Reihe spielen. Nachdem der Albtraum nicht enden will, beginnt Carla alias Lilia, sich der Probleme der Gemeinde so anzunehmen, wie es die Romanheldin ihrer Mutter tun würde.
Ein zwielichtiger Finsterling, natürlich reich und wortkarg, will das hoch verschuldete Dörfchen dem Erdboden gleichmachen und an der Stelle ein alpines Luxusresort errichten. Einziges Gegenmittel: Lilia tritt eine ihr in Aussicht gestellte Erbschaft an und begleicht damit die Schulden. Dafür müsste sie allerdings heiraten. Und nachdem sie in vielen vorherigen Groschenromanen sämtliche Junggesellen der Umgebung verkuppelt hatte, bleibt nur der einfältige Einsiedler übrig.
Der Charme von „Zitronenherzen“ ist nun allerdings nicht das Eintauchen in die hyperkitschige Wohlfühlkulisse in den Alpen, wie in vergleichbaren TV-Filmen üblich. Sondern genau genommen das leichtfüßige Spiel mit den Klischees und der Erwartungshaltung. Die Drehbuchautoren Michael Bohnenstingl, Isabelle Caps-Kuhn und Christiane Rousseau kombinieren die verschneite Vorweihnachtsidylle Glocksbergs originell mit der schroffen Berliner Gegenwart, in die Carla/ Lilia immer wieder zurückspringt. Mit dem Ergebnis, dass sich die zwei unterschiedlichen Charaktere mehr und mehr inspirieren. Carla entdeckt eine gefühlvollere Seite an sich, und das anschmiegsame Seelchen Lilia profitiert von der schlagfertigen, emanzipierten Carla.
Das ist, inklusive der Wechsel zwischen den kontrastierenden Settings, bis zum Happy End sehr witzig anzusehen. Regisseur Jan Haering verleiht „Zitronenherzen“, der alljährlichen Weihnachtsproduktion des ZDF, einen wirklich einfallsreichen Auftritt. Dabei kann er nicht nur von Musik bis Kostüm auf ein großartiges Team zurückgreifen, sondern auch auf ein bemerkenswert gut aufgelegtes Ensemble. Von den Hauptrollen bis hin zu Diana Amft, Felix von Manteuffel, Markus Hering oder Michael Rast in den Nebenrollen schmeckt hier einfach alles nach perfekter vorweihnachtlicher Unterhaltung.
ULRIKE FRICK