„TATORT“-KRITIK

Viel Blut um nichts

von Redaktion

Der jüngste Fall aus Dortmund ist ein Mix aus Familiendrama und Spionagekrimi

Ermitteln nach dem Abgang von Kollege Jan Pawlak zu zweit: Peter Faber (Jörg Hartmann) und Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger). © Kost/WDR

Der zweite Weihnachtsfeiertag ist unter „Tatort“-Machern der wohl unbeliebteste Sendeplatz des Jahres – aus einem einfachen Grund: Die Quote an diesem Abend ist traditionell nicht gut. Im vergangenen Jahr holte das inzwischen in die Luft gejagte Frankfurter Duo Brix und Janneke (Wolfram Koch und Margarita Broich) 5,04 Millionen Zuschauer, 2022 kamen die Münchner Batic und Leitmayr (Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl) mit dem Krimi-Dinner „Mord unter Misteln“ auf knapp über vier Millionen – beide Werte deutlich unter dem, was sonst am Sonntagabend erreicht wird. Heuer mussten die Dortmunder ran. Und lieferten mit „Made in China“, so der Titel der Folge, die gestern Premiere im Ersten hatte, einen Mix aus Familiendrama und Wirtschaftskrimi nach dem Motto: Viel Blut um nichts.

Und das ist durchaus buchstäblich gemeint.

Blutüberströmt läuft eine junge Frau durch die Gegend, wirkt verwirrt und ohne Orientierung. In einem Asia-Shop nimmt sie ein Messer, geht wild auf den Verkäufer zu. Alles deutet auf ein Massaker hin, doch wirklich passieren wird hier nichts – die Polizei ist rechtzeitig vor Ort. Als Vanessa Haiden (Klara Lange) bei ihrer Vernehmung dann aber angibt, jemanden ermordet zu haben („Ich habe ihn umgebracht“), übernehmen Peter Faber (Jörg Hartmann) und Rosa Herzog (Stefanie Reinsperger) die Ermittlungen. Das Problem: Wer, wann, wo und warum zu Tode gekommen ist, dazu schweigt Vanessa Haiden.

Es dauert eine Weile, bis die Kommissare verstehen, dass „hier nichts ist, wie es scheint“, wie es Faber formuliert. Tatsächlich biegt die Geschichte mehrfach in eine überraschende Richtung ab. Wolfgang Stauch (Buch) und Jobst Christian Oetzmann (Regie) lassen zunächst das von allen Beteiligten (stark: Marie-Lou Sellem als Matriarchin) mühsam aufgebaute Bild einer heilen Familie (Stahl-Dynastie!) in sich zusammenfallen. Und machen dann das große Fass Industriespionage auf: Jo Haiden, Vanessas Vater, der zwischenzeitlich als Mordopfer ausgemacht ist, spionierte im eigenen Familienkonzern für die chinesische Regierung.

Viel Stoff für 90 Minuten, zumal sich – nach dem Abgang von Rick Okon alias Kollege Jan Pawlak – auch noch Faber und Herzog als übriggebliebenes Duo in Dortmund irgendwie neu finden müssen. Oder anders gesagt: Die Fußstapfen von Martina Bönisch (Anna Schudt) wirken in diesem Film, dessen Geschichte an und für sich gut und schlüssig inszeniert ist, noch mal größer als sonst.
STEFANIE THYSSEN

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