Besessen und begeistert: Jacob (Anton von Lucke) schneidert bis tief in die Nacht. © Rattini/ARD
Sie waren Pioniere ihrer Zeit: Levi Strauss (Vincent Redetzki, re.) und Jacob Davis (Anton von Lucke, li.). Ihre Geschichte erzählt die sehenswerte ARD-Serie. © Oppitz/ARD, Rattini/ARD
Sie ist eine amerikanische Ikone wie Micky Maus oder Coca-Cola: Die Jeans ist ein Kleidungsstück mit Kultcharakter. Dabei wurde die strapazierfähige Nietenhose vor rund 150 Jahren von zwei jüdischen Auswanderern aus Europa erdacht. Der eine war Levi Strauss aus dem fränkischen Buttenheim bei Bamberg, dessen Name heute als Jeansmarke weltberühmt ist. Der andere war der Schneider Jacob Davis aus dem lettischen Riga, der heute fast vergessen ist – dabei war er der eigentliche Erfinder der kultigen Hose. Der Vierteiler „Levi Strauss und der Stoff der Träume“ erzählt die Geschichte der beiden Hosenpioniere als opulent bebildertes Historienepos zum Jahresanfang.
Für Hauptdarsteller Vincent Redetzki ist die Serie aber weit mehr als nur ein klassischer Feiertags-Mehrteiler mit üppiger Ausstattung und abenteuerlichen Verwicklungen. „Ich glaube, wir brauchen dringend positive Erzählungen zum Thema Migration, um dem vorherrschenden, blinden Hass etwas entgegenzusetzen. Die Geschichte von Levi Strauss hat das Potenzial, so eine Erzählung zu sein“, betont der Schauspieler. Regisseurin Neele Vollmar lässt die Geschichte Ende der 1840er-Jahre beginnen. Löb Strauss, wie er zu diesem Zeitpunkt noch heißt, und Jacob Davis (Anton von Lucke) lernen sich an Bord eines Ozeandampfers flüchtig kennen, als sie vor Armut und antisemitischen Repressalien aus ihrer Heimat in die Neue Welt fliehen. Kaum in New York angekommen, gehen die beiden jüdischen Emigranten getrennte Wege: Strauss tritt ins Geschäft seiner beiden Halbbrüder ein, die schon seit Jahren in Amerika leben und erfolgreiche Stoffhändler sind. Davis hingegen schlägt sich allein im Wilden Westen durch, strandet in einem Goldgräber- nest und lernt dort seine spätere Frau kennen, die ausgesprochen patente Annie (Lea van Acken). Vergeblich versucht der tapfere Schneider, mit allerlei Erfindungen zu Geld zu kommen – unter anderem ersinnt er ein klappbares Bügelbrett. Bis er schließlich einen Einfall hat, der Geschichte schreiben wird: Für einen Goldgräber näht er aus einem robusten Stoff namens Denim eine nahezu unverwüstliche Arbeitshose mit doppelter Naht und Kupfernieten, die für Langlebigkeit sorgen. Allerdings ist das unzerreißbare Beinkleid zu diesem Zeitpunkt noch bleich und ziemlich unförmig, erinnert wenig an die späteren coolen Jeanslooks etwa eines James Dean – und auch der Begriff Jeans ist noch nicht erfunden.
Während Jacob Davis nach der Decke strampelt, hat sich Levi Strauss in San Francisco ein eigenes Geschäft aufgebaut, die Stadt ist im Zuge des Goldrauschs ein Hexenkessel geworden, in dem das Recht des Stärkeren gilt: Leute wie der fiese Schutzgelderpresser J.C. Eddy (Roland Koch) haben das Sagen. Der setzt Levi Strauss unter Druck und will Jacob Davis die Idee für die Hose klauen – erst gemeinsam sind die beiden Emigranten stark genug, sich zu wehren.
Die Auswanderungswellen aus dem revolutionären Europa in den 1840er-Jahren, der kalifornische Goldrausch, der blutige Sezessionskrieg und die anschließende Blütezeit, das Gilded Age: Der Vierteiler hangelt sich an historischen Eckpunkten entlang, erfindet aber auch einiges hinzu. Das betrifft insbesondere die Rolle der Frauen: Im Drehbuch sind Levis Schwester Fanny (Amy Benkenstein) und Jacobs Ehefrau Pionierinnen, die wesentlich zum Durchbruch der Jeans beitragen. Deren offizielle Geburtsstunde schlug schließlich 1873, als Strauss und Davis das Patent für die Nietenhose eintragen ließen.
Gedreht wurde der Vierteiler übrigens in den italienischen Regionen Piemont und Südtirol, die Stadt Turin wurde zu San Francisco. Für einen authentischen Look mussten die Straßen, die zum Zeitpunkt der Handlung noch nicht geteert waren, dick mit Sand bestreut werden.
CORNELIA WYSTRICHOWSKI
„Levi Strauss“
läuft heute um 20.15 Uhr im Ersten und ist in der Mediathek abrufbar.