Spricht in der Doku Klartext: Mario Basler. © Ben Knabe
Findet kritische Worte: Mehmet Scholl. © Sabine Finger
Lächelt Vorwürfe weg: Jürgen Klinsmann. © Benjamin Zeller
Die Geschichte des FC Bayern München bietet einen reichhaltigen Fundus für Dokumentationen. Dabei ging es bislang um die glorreichen Zeiten: Den Aufstieg in den Sechziger- und Siebzigerjahren mit der goldenen Achse Maier-Beckenbauer-Müller und um die von der Generation Wembley in die Wege geleitete beispiellose Titelserie der Neuzeit. Allerdings lagert noch ganz anderer Stoff in den Archiven. Wunderbarer Stoff vor allem für die, die den FC Bayern nicht immer gewinnen sehen wollen. Zum Ausklang des 20. Jahrhunderts ging es verlässlich rund an der Säbener Straße – und diese Epoche beleuchtet die fünfteilige Serie „FC Hollywood“, die das ZDF am Freitag um 22.30 Uhr zeigt und die aktuell in der Mediathek verfügbar ist.
Schon wenn die Protagonisten von damals heute, nunmehr faltig, kahl und kugelig, Platz nehmen zum Rückblick, merkt man ihnen die Lust am Streit sofort wieder an. Lothar Matthäus sucht noch immer nach Beweisen für den Hinterhalt, mit dem er von 1995 bis ’98 aus der Nationalmannschaft gekickt wurde, Jürgen Klinsmann lächelt den Verdacht weiterhin routiniert (und nicht ganz glaubwürdig) weg. Wer’s vergessen hat: Matthäus forderte seinerzeit über seine Hauspostille „Sport-Bild“ ein TV-Duell mit Klinsmann ein – ja, solche Auswüchse nahm das damals an.
Der FC Bayern hatte 1996 eine „Konzentration an Spitzenspielern“ (Mehmet Scholl), eine „gefühlte Europaauswahl“ (Didi Hamann) – doch eben ebenso viele „große Egos“ (Hamann) und „nie zwei Lager – mindestens 15“ (Scholl). Und als Franz Beckenbauer Otto Rehhagel als Trainer ablöste und versuchte, die Saison noch zu retten, da wurde ihm auf dem Übungsplatz die Brille von der Nase geschossen. Der Kaiser lädiert, mit blauem Auge – Sinnbild der Situation. Das aufkommende Privatfernsehen und das noch junge Pay-TV juchzten vor Vergnügen über die hochfrequenten Chaos-Darbietungen des Clubs, der sich schwertat, die nationale Konkurrenz im Zaum zu halten.
Regisseur Nicolas Berse-Gilles und den Autoren Markus Brauckmann, Simone Schillinger und Florian Nöthe ist es gelungen, eine poppige Revue der unterhaltsamsten Phase des FC Bayern zu schaffen. Großartig ist vor allem Andreas Herzog, der Österreicher, der vom aufgebrachten Oliver Kahn im Olympiastadion durch den eigenen Strafraum geschubst wurde. Ein Bild, das zum szenischen Kanon aus über sechs Dekaden Bundesliga gehört. In diesen ungezügelten Bayern-Jahren gab es viele solche Momente. Obwohl die Erfolgsbilanz vergleichsweise bescheiden war: Der FC Bayern etablierte sich als Entertainment-Marke – was letztlich auch Fans einen liebenden Blick zurück ermöglicht.
Lothar Matthäus, Thomas Helmer, Stefan Effenberg, Mario Basler, Mehmet Scholl, Markus Babbel, Thomas Strunz – die wesentlichen Figuren des FC Hollywood, die in der ZDF-Doku auftreten, sind heute noch sehr präsent. Als Experten und Moderatoren haben sie in den Talkshows die Deutungshoheit über den deutschen Fußball übernommen. Kein Zufall. In den Jeder-gegen-jeden-Jahren des FC Bayern haben sie sich das Rüstzeug für konfrontative Kommunikation angeeignet.
GÜNTER KLEIN
„FC Hollywood“
Freitag, 22.30 Uhr, im Zweiten und jederzeit in der ZDF-Mediathek.