Amelie Weber ist eine erfrischende Entdeckung. © ARD
Shakuntala Banerjee vom ZDF im Gespräch mit Außenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen). © Thomas Kierok
Zunächst die blanken Zahlen, denn das Interesse war enorm: Insgesamt 11,7 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer schalteten am Sonntagabend die „Berliner Runde“ ein, die bei ARD, ZDF und Phoenix übertragen wurde. Eine deutliche Steigerung im Vergleich zur letzten Wahl vor drei Jahren, als gut zehn Millionen die sogenannte Elefantenrunde verfolgten. Überhaupt verbrachten sehr viele Menschen den Abend daheim vor den Bildschirmen – was natürlich darauf zurückzuführen ist, dass der Ausgang der Wahl so lange offenblieb. Zwischen kurz nach fünf und 20 Uhr schalteten 6,6 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer die Berichterstattung im Ersten ein. Die „Tagesschau“ um 20 Uhr kam auf 10,8 Millionen. Das ZDF verzeichnete zwischen 17 und 19 Uhr gut drei Millionen. Nach der „heute“-Ausgabe mit 4,69 Millionen wurden es starke 4,21 Millionen Zuseher.
ARD und ZDF bleiben für die Menschen also erste Wahl für die Wahl. Über die Qualität der Sendungen sagt das freilich nichts aus. Wir werfen deswegen – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – noch mal einen Blick zurück auf die vergangenen Wochen. Wie gut – oder wie schlecht – waren die (öffentlich-rechtlichen) Sender in ihrer Wahl-Berichterstattung?
Für den Sonntagabend gilt: Die ARD liegt nicht nur zahlenmäßig vorn, sondern auch, was die Präsentation angeht. Markus Preiß führte als Leiter des Hauptstadtstudios absolut souverän durch die drei anstrengenden Stunden zwischen fünf und acht. Kollegin Shakuntala Banerjee leistete sich im ZDF wesentlich mehr (für sie ungewöhnliche) Verhaspler und Unsicherheiten. Jörg Schönenborn (ARD) und Stefan Leifert (ZDF) machten als Herren der Zahlen einen soliden Job. Eine Entdeckung ist Amelie Weber aus dem Social-Media-Team der „Tagesschau“, die schon in der „Wahlarena“ die Fragen stellte, auf die junge Menschen Antwort wollten.
Apropos „Wahlarena“. Die Formate, in denen das Publikum den Politikerinnen und Politikern auf den Zahn fühlte, sorgten für einen Großteil der (insgesamt leider wenigen) wahrhaftigen Momente im Wahl-TV. Ein Landwirt etwa, der von Dürre und Überschwemmungen gleichermaßen geplagt ist, konfrontierte Friedrich Merz mit dieser für ihn existenzbedrohenden Entwicklung und fragte nach dessen Strategie gegen die Klimaerwärmung. Eine Pflegekraft berichtete Olaf Scholz davon, dass ihre Rente nicht reichen wird zum Leben. Ein junger Familienvater erzählte Robert Habeck von der Schwierigkeit, eine Wärmepumpe finanziert zu bekommen. Und Alice Weidel wurde gefragt, wie denn ihr privater Lebensentwurf (Partnerschaft mit einer Frau) eigentlich zum Programm der AfD passe.
Die Duelle, Trielle, Quadrelle und was es sonst noch gab, waren dagegen geprägt von einem Journalismus, der zwar kenntnisreich war, dem es aber an Kreativität fehlte. Natürlich, die Zeit war begrenzt, der Wahlkampf kurz. Aber ein bisschen mehr Originalität, den einen oder anderen Überraschungsmoment hätte es geben müssen. Ebenso eine größere Vielfalt bei den Themen. Bei aller Berechtigung für die Bereiche Migration und Wirtschaft – irgendwann hatte man von jeder Partei jedes Argument gehört und war regelrecht ermüdet. Warum hat man bei den Sendungen keine Schwerpunkte gesetzt? Klima, Pflege, Wohnen, Frauen, Kinder, Gesundheit – all das fand so gut wie nicht statt. Einzige Ausnahme: die „Schlussrunde“ bei ARD und ZDF.
Es wäre wünschenswert, wenn sich die Sender – bei aller vorhandenen Qualität – bis zur nächsten Bundestagswahl ein paar Neuigkeiten einfallen lassen würden. Nur eine Idee: Man könnte sich davon verabschieden, live zu senden und stattdessen den (dringend erforderlichen!) Faktencheck während der Ausstrahlung einblenden.
THY