Heute wäre er 91 geworden: Richard Chamberlain. © H. Boesl
Rolle seines Lebens: In „Die Dornenvögel“ spielte Richard Chamberlain den charismatischen Pater Ralph de Bricassart, der sich gegen alle Konventionen in die Farmerstochter Meggie (Rachel Ward) verliebt. Mehr als 200 Millionen Menschen verfolgten den TV-Vierteiler weltweit. © CLIFF LIPSON
Im Grunde hat die Rolle, die ihn weltberühmt machte, die Karriere von Richard Chamberlain ruiniert. In der leicht schmalzigen Mini-Serie „Die Dornenvögel“ spielt er Pater Ralph de Bricassart, der zwischen einer Frau und seiner Berufung hin- und hergerissen ist. Rund um den Globus schmilzt die Damenwelt dahin, etwa eine Viertelmilliarde Menschen verfolgen den Vierteiler damals. Und Chamberlain wird fortan nicht mehr für ernsthafte Rollen gebucht.
Er ist da bereits fast 50 und hat ohnehin die Nase voll davon, den Frauenschwarm zu spielen. Als er ein paar Jahre später als homosexuell geoutet wird, ist er fast erleichtert: „Über einen längeren Zeitraum macht es keinen Spaß, jemand zu sein, der man nicht wirklich ist.“ Er findet sich damit ab, dass die ganz große Karriere vorbei ist, tritt in sorgsam ausgesuchten Serien auf und wendet sich wieder seiner alten Leidenschaft, dem Theater, zu. Noch als Mittsiebziger begeistert er am Broadway und erinnert daran, dass er mal das Zeug hatte, einer der größten Stars seiner Zeit zu werden. Unverschämt gut aussehend, hochgewachsen, athletisch und mit einer eindrucksvollen Stimme gesegnet, ist er der Prototyp eines Filmstars.
In seiner Heimat Kalifornien studiert er zunächst Malerei, eine Liebe, der er ein Leben lang treu bleibt. Nach dem Armeedienst, den er verabscheut, beginnt er dann doch ein Gesang- und Schauspiel-Studium. 1963 gelingt ihm mit der Arztserie „Dr. Kildare“ der Durchbruch, aber der Sprung auf die große Leinwand mag ihm nicht glücken. Chamberlain entschließt sich zu einem überraschenden Schritt: Er zieht nach Großbritannien und macht sich dort auf der Bühne einen Namen. Als Aramis in „Die drei Musketiere“ spielt er in einem Kino-Hit mit, fortan läuft es für Chamberlain. Neben kommerziell erfolgreicher Ware wie „Flammendes Inferno“ tritt er auch in ambitionierten Werken wie „Die letzte Flut“ des Regie-Magiers Peter Weir auf und beweist, dass er ein sensationeller Hauptdarsteller ist, wenn man ihn in den richtigen Film steckt und machen lässt.
Chamberlain räumt mit Fernsehfilmen und Serien ab. „Der Graf von Monte Christo“, „Der Mann in der eisernen Maske“ oder „Shogun“ gelten nach wie vor als Klassiker – auch weil er mit dieser interessanten Mischung aus Zurückhaltung und Grandezza diesen Filmen seinen Stempel aufdrückt. Bemerkenswert lange sieht Chamberlain erstaunlich jugendlich aus und überzeugt in den „Quatermain“-Filmen auch mit über 50 als Actionheld. Selbst als er in der unglücklichen Fortsetzung der „Dornenvögel“ 1996 noch einmal in seine Paraderolle schlüpft und nun als Erzbischof der Damenwelt den Kopf verdreht, sieht er für seine damals 61 verdammt gut aus.
Chamberlain lebt da schon lange sehr zurückgezogen mit seinem Lebensgefährten und Manager auf Hawaii. 2003 schildert er in seiner Autobiografie verblüffend offen, wie sehr ihn sein Doppelleben belastet hat. Als junger Mann litt er unter psychischen Problemen und hing Suizidgedanken nach. Erst spät macht er seinen Frieden, glaubt aber den richtigen Weg gegangen zu sein: Als offen homosexueller Mann hätte er damals nie die Rollen bekommen, die ihn zum Star gemacht haben.
Mit gefeierten Theaterauftritten und distinguierten Gastrollen in Film und Fernsehen gilt er zuletzt als eine Art Elder Statesman der Branche, der schließlich bekommt, was ihm lange verwehrt worden ist: Respekt für seine Arbeit als Schauspieler. Nun ist er unmittelbar vor seinem 91 Geburtstag gestorben. „Ich bin ein ganz normaler Mensch, der morgens aufsteht und seine Zähne putzt“, hat er einmal gesagt, als er auf dem Höhepunkt seines Ruhms nach der Verehrung der Fans gefragt wurde. „Ich verstehe auch nicht, weshalb manchmal Frauen tagelang vor meinem Haus warten und sich freuen, wenn sie sehen, wie ich mein Auto vom Parkplatz fahre.“
ZORAN GOJIC