Tiefer Fall einer Renommierinstitution: Gegen die Staatsgemäldesammlungen gibt es Vorwürfe sexueller und rassistischer Übergriffe. © Sven Hoppe
Manch einer, der die Pressekonferenz von Kunstminister Markus Blume (CSU) zur Neustrukturierung der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen verfolgte, hatte sich am Mittwoch gewundert: Um Raubkunst ging es fast nur am Rande. Und wenn, dann nur in allgemeinen Formulierungen. Nachricht des Tages war bekanntlich die Demission von Generaldirektor Bernhard Maaz und seine Versetzung ins Zentralinstitut für Kunstgeschichte. Andeutungsweise hatte Blume noch von „Hinweisen und Vorwürfen zu Fehlverhalten und Organisationsversagen“ berichtet. Seit Donnerstag ist klar: Dahinter steckt wohl ein massiver Skandal.
Nach Recherchen des Deutschlandfunks gibt es interne Unterlagen der Staatsgemäldesammlungen. Diese berichten von „mindestens 19 Vorwürfen“, dazu zählten sexuelle Belästigung Minderjähriger und rassistische Beleidigungen durchs Aufsichtspersonal. Außerdem sollen die Videoanlagen der Museen benutzt worden sein, um Mitarbeitende zu kontrollieren. Letzteres praktizierte auch die Schnellimbisskette Burger King.
Damit nicht genug: Nach den Recherchen gebe es ein Sicherheitsproblem in mindestens einem Haus der Staatsgemäldesammlungen. Das teils von Fremdfirmen gestellte Wachpersonal solle im Rahmen von Kontrollgängen auch Zugang zu Depoträumen gehabt haben. An anderer Stelle seien originalgetreue Kopien deutscher Blanko-Reisepässe, die für ein Ausstellungsobjekt hergestellt worden waren, aus einem Lagerraum gestohlen und an Mitarbeitende verteilt worden. Viele dieser Vorwürfe seien dem Kunstministerium seit Langem bekannt gewesen.
Markus Blume hatte am Mittwoch bereits eine „interne Untersuchung“ angekündigt, außerdem werde eine frühere Staatsanwältin für Ermittlungen ins Kunstministerium geholt. Ein eindeutig Schuldiger lässt sich bislang nicht ausmachen. Ob die bisherige Führung der Staatsgemäldesammlungen mit Bernhard Maaz an der Spitze oder das Kunstministerium als Aufsichtsinstanz versagt hat, das lässt sich noch nicht eindeutig klären. Insider berichten, dass beide Seiten – nicht nur in der RaubkunstDebatte – erhebliche Fehler gemacht haben. Auf die Frage, ob Blume mit Maaz nun einen Sündenbock gefunden hat, sagte eine Expertin aus dem engeren Szene-Zirkel unserer Zeitung: „Vielleicht auch, es ist aber kein unschuldiger Sündenbock.“
Zu den neuerlichen Vorwürfen teilte der Kunstminister auf Anfrage unserer Zeitung mit: „Es braucht eine kurzfristige und konsequente Sachverhaltsaufklärung zu den neben den Provenienzthemen in den letzten Wochen aufgekommenen Vorwürfen in den Staatsgemäldesammlungen.“ Man habe „in aller Konsequenz die notwendigen Schritte eingeleitet und eine interne Untersuchung gestartet, die sich mit den genannten Vorwürfen befasst“.
Bayerns Grüne üben unterdessen heftige Kritik am Kunstminister. „Wenn Markus Blume wirklich so betroffen und überrascht ist, wie er sich gibt, fragt man sich doch, was er die letzten drei Jahre getan hat“, teilt Sanne Kurz mit, kulturpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion. „Über drei Jahre ist der Staatsminister in Verantwortung, seine Häuser kannte er dabei offenbar nicht, oder er hatte sie nicht im Griff.“ Ähnliches kommt von der SPD. Dass der Minister jetzt Maaz entlassen habe, dürfe nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch die Staatsregierung Verantwortung für den Umgang mit NS-Raubkunst trage, so die kulturpolitsche Sprecherin Katja Weizel. Dringend zu klären seien auch die Vorwürfe sexueller Belästigung. „Unverständlich bleibt, dass Minister Blume laut Presseberichten seit Monaten von diesen Vorfällen wusste. Man fragt sich, wie gut er seinen Amtsbereich tatsächlich kontrolliert.“
Was die Raubkunst betrifft, will die Claims Conference für die Entschädigung und Unterstützung jüdischer NS-Opfer die Pläne von Blume kritisch begleiten. „Bayern kann das beschädigte Vertrauen nur dann wiederherstellen, wenn es konsequent und transparent mit seinen Verdachtsfällen von NS-Raubkunst umgeht“, sagte Rüdiger Mahlo. Man werde den Erfolg von Blumes Ankündigungen „an der Restitutions-Quote“ messen.
MARKUS THIEL