Die Gitarre als Prügel

von Redaktion

Pete Townshend bekämpfte mit seiner Band The Who frühe Traumata – jetzt wird er 80

Tritt bald kürzer: Pete Townshend geht ab Sommer mit The Who auf Abschiedstournee. © Paul Bergen / dpa

Wenn man sich die sechs Saiten wegdenkt, ist eine Gitarre im Grunde auch nur ein Schläger. Und so hat Pete Townshend sein Instrument auch stets behandelt: wie einen Prügel. Sowohl, was die Verwendung in der Bühnenshow angeht, als auch in puncto Klang. Als The Who anno 1965 ihre Single „Anyway, anyhow, anywhere“ bei der Plattenfirma ablieferten, dachte die, da sei was kaputtgegangen. So sehr ließ Townshend im Mittelteil das Feedback fiepen und morste mit seinem Pickup-Schalter bisher ungehörte Pieptöne. Townshend, der am Montag 80 Jahre alt wird, brachte Rockmusik als Handgreiflichkeit in die Top Ten.

Was nicht heißt, dass er ein ungehobelter Kerl ist. Der kurz nach Kriegsende geborene Townshend sah sich zeitlebens als Künstler. Die Eltern waren Musiker und, positiv ausgedrückt, trinkfest. Während einer Trennung der beiden wurde Klein-Pete für zwei Jahre zu seiner Oma abgeschoben, die er später als „klinisch verrückt“ bezeichnete und unter deren Obhut er Missbrauchserfahrungen machte. „Damals ist etwas kaputtgegangen“, sagte Townshend in einem Interview. „Ich glaube, das hat mich besonders empfänglich für die Gefühle von anderen gemacht, die auch beschädigt waren.“

Diesen Beschädigten widmete er mit der Band The Who Songs, von der Durchhalteparole „The Kids are alright“ bis hin zu den Rock-Opern „Tommy“ und „Quadrophenia“, die beide von Außenseitern handeln. „I‘m a Boy“ und „Substitute“ thematisieren sexuelle Verwirrung, „Behind blue Eyes“ die Gefühlswelt von Teenagern.

Eine Band wie ein Pulverfass: Kunststudent Townshend prügelte sich schon mal mit Sänger Roger Daltrey, einem vormaligen Stahlarbeiter. Am Schlagzeug (und im echten Leben) randalierte Keith Moon. Ihre Konzerte wurden zu Tumulten: Früh gewöhnte sich Townshend an, die Gitarre nicht nur mit kreisendem rechtem Arm wie dem Flügel einer Windmühle zu spielen, sondern das Instrument am Ende zu Klump zu hauen. In seiner Autobiografie schreibt er: „Zerstörung ist Kunst, wenn sie vertont wird.“

Privat ist sein Leben allerdings in ruhigeren Bahnen verlaufen. Die erste Ehe des offen bisexuellen Townshend hielt 30 Jahre, seine zweite bis heute. Mit Roger Daltrey hat er sich zusammengerauft – ab August soll es eine Abschiedstour von The Who durch Nordamerika geben. Auch seine Alkoholsucht hat Townshend überwunden, nur seinen Tinnitus wird er wohl nicht mehr los. Er zog ihn sich 1976 bei einem Who-Konzert zu, das als lautestes der Geschichte ins Guinness-Buch der Rekorde einging. In einer Entfernung von 32 Metern von der Bühne wurden 126 Dezibel gemessen.

Dass er den Text des Songs „My Generation“ – „Hope I die before I get old (hoffentlich sterbe ich, bevor ich alt werde)“ – nicht wörtlich meinte, hat er früh betont. „Ich war 18 und wollte mich abgrenzen.“ Eines hat er aber nach eigener Auskunft geschafft. Alt zu werden, ohne sich alt zu fühlen.
JOHANNES LÖHR

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