„Wir können nur gewinnen“

von Redaktion

Johanna Wokalek wirbt im „Polizeiruf“ für die Dragszene und mehr Toleranz

„Ein feiner Tag für den Bananenfisch“ sei kein klassischer „Polizeiruf“, sagt Regisseur Dror Zahavi. Der Münchner Krimi, den die ARD am Sonntag um 20.15 Uhr zeigt, versteht sich als Märchen. Ein Rausch aus Farben, Musik und Emotionen. Hauptdarstellerin Johanna Wokalek taucht in ihrem vierten Fall als Kommissarin Cris Blohm in die Dragszene ein. Drei Königinnen der Nacht beobachten zufällig einen brutalen Mord im Bahnhofsviertel und sind fortan auf der Flucht vor den Killern. Mit ihrem Kollegen Dennis Eden (Stephan Zinner) versucht Blohm, die Dragqueens zu beschützen und gleichzeitig zu einer Aussage zu bewegen. Im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt Wokalek, warum dieser „Polizeiruf“ Brücken bauen kann.

Als Cris Blohm bekommen Sie es diesmal mit einer schillernden Szene zu tun. Hatten Sie beim Lesen des Drehbuchs schon gleich einen Film im Kopf?

Ja! Das liegt aber auch daran, dass Autor Günter Schütter ein großer Glücksfall ist, der in seinen Büchern mit vielen Bildern arbeitet. Da springt bei mir sofort die Fantasie an. Aber natürlich ist das dann nur mein Blick auf die Dinge. Für mich war spannend zu sehen, was Regisseur Dror Zahavi in der Geschichte sieht, und wie er sie umsetzt. Und er hat wirklich zwei Welten geschaffen: Auf der einen Seite ein München unter Baukränen, in dem aus Beton Gold gemacht werden soll und die Investoren die Gentrifizierung vorantreiben. Und auf der anderen Seite dieser kleine Rainbow-Club im Bahnhofsviertel, in dem die Drags ihre eigene bunte Welt voller Glitzer und eigener Regeln erschaffen haben.

Diese Welten prallen im Krimi aufeinander. Was haben Sie Neues bei diesem „Polizeiruf“ gelernt?

Für mich war es ein Eintauchen in eine mir fremde, unbekannte Welt. In der Vorbereitung war ich mit Dror Zahavi in einem Berliner Club, in dem wir eine fantastische Dragqueen gesehen haben. In der Drag-Kunst geht es ja auch darum, Gemeinschaft zu suchen und Zusammengehörigkeit zu schaffen. Und genau das ist an diesem Abend zwischen dem Publikum und der Dragqueen entstanden. Das war ein zu Herzen gehender Rausch, den ich mit in die Dreharbeiten genommen habe.

Manches in diesem Krimi wirkt klischeehaft und überzeichnet. Welche Erfahrung haben Sie gemacht?

Dass wir ziemlich nah an der Realität sind. Die Drags kreieren ja eine eigene Identität und damit auch eine eigene Sprache, über die sie sich verbinden. Das ist sehr lustig, frei, wild und auch ungewohnt. Aber diese Fremdheit zu Beginn des Films ist gewollt. Es geht darum, dass wir zueinander finden – ob mit Humor oder Melancholie. Wenn die Zuschauerinnen und Zuschauer bereit sind, sich darauf einzulassen, dann ist das eine spannende Reise.

In „Little Boxes“, Ihrem ersten „Polizeiruf“ als Cris Blohm, ging es um Alltagsrassismus und Wokeness. Auch jetzt wird der Zuschauer ermuntert, über das Anderssein nachzudenken. Warum ist das so wichtig?

Weil das unsere Welt ist. Unsere Welt ist zusammengesetzt aus Anderssein. Und jeder empfindet jemand anderen als anders. Wichtig ist, dass wir das zu- und uns darauf einlassen. Ich kann nichts verlieren, wenn ich mich öffne, sondern nur gewinnen.

Hat sich die Ermittlerin Cris Blohm seit ihrem Einstand verändert?

Wenn mich Cris Blohm an die Hand nimmt und ich mir ihre Sachen anziehe, dann wird sie mir natürlich mit jedem Fall vertrauter. Und trotzdem birgt sie für mich noch ein Geheimnis. Das ist für mich ganz wichtig. Ich will mich von den Autorinnen und Autoren und der Regie überraschen lassen und immer Neues entdecken.

Sie sind in Freiburg geboren, waren in Hamburg und Wien, drehen in München und leben in Paris – wo sind die Heimatgefühle am stärksten?

Immer schon in Wien und im Moment in Paris, weil da auch meine Familie ist (Anm. d. Red.: Wokaleks Ehemann, der Dirigent Thomas Hengelbrock, leitet das Orchestre de Chambre de Paris). Dort entdecke ich gerade so viel Neues und bin trotzdem schon mit Freundschaften verbunden. Es hat etwas Erfrischendes, nicht als junge Studentin durch die Stadt zu spazieren, sondern sie mir jetzt erst zu erobern.

Was lieben Sie besonders?

Das Lebensgefühl in Frankreich gefällt mir sehr gut. Ich finde, dass man das Miteinander und das Zusammensein mit Freunden und Familie noch mal ganz anders feiert.

„Polizeiruf 110“,

Sonntag, 20.15 Uhr, ARD

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