„Ich fühle mich nicht repräsentiert“

von Redaktion

Der Münchner Drag-Künstler Jay Miniano über Kunst und Klischees im „Polizeiruf 110“

Als Pinay Colada erobert er die Bühne. © S. Schaar/Privat

Jay Miniano entdeckte 2018 seine Liebe zur Drag-Kunst.

Was Drag-Queens und Drehbuchautoren eint? Der Wunsch, sich, oder wenigstens eine Geschichte über das Leben, neu zu erfinden. Und so entwarf Günter Schütter mit dem Münchner „Polizeiruf: Ein feiner Tag für den Bananenfisch“ ein wildes Großstadtmärchen. Laut, knallig, überdreht – mit drei Dragqueens auf der Flucht, eine Mischung aus „Der einzige Zeuge“ und „Priscilla – Königin der Wüste“. Doch wie nah war der ARD-Krimi über die queere Szene an der Realität dran? Drag-Künstler Jay Miniano, der als Pinay Colada auftritt, hat den Fall für uns kritisch unter die Lupe genommen.

Wie realistisch ist die Community dargestellt?

Manches wurde schon ziemlich überspitzt. Die Drag-Queens im Film laufen ja auch privat in weiblich gelesenen Klamotten rum, mit Make-up und falschen Wimpern. Klar, das gibt es auch, aber ich als Drag-Artist fühle mich von keinem der drei wirklich repräsentiert. Ich hätte mir eine Person gewünscht, die im Alltag ein wenig mehr Normalität vermittelt.

Wie ist das bei Ihnen?

Mein privates Outfit besteht nicht aus Tiger-Tanktop, Meerjungfrauen-Leggins und Puschelschuhen. (Lacht.) Wenn ich nicht als Pinay Colada unterwegs bin, trage ich wie viele meiner Kollegen Alltagsklamotten. Ich mag den Kontrast zwischen Jay und meiner Kunstfigur Pinay, weil es mir auch um die Transformation geht. Wenn mich die Leute nicht erkennen, sehe ich das als Kompliment.

Wie präsent sind heute noch Ablehnung und Ausgrenzung in der Szene?

In unserer eigenen Blase sind wir wie Rockstars und werden gefeiert. Und auch auf dem Christopher Street Day winken dir die Leute zu und wollen Fotos mit dir machen. In so einem Umfeld fühlst du dich als Drag wohl und aufgehoben. Aber es gibt natürlich auch unschöne Szenen.

Welche?

Ich erinnere mich daran, wie ich nach dem Club im sehr femininen Outfit nach Hause gegangen bin und von einem betrunkenen Typen angemacht wurde. Als ich mich umgedreht habe und er gesehen hat, dass ich keine echte Frau bin, ist er richtig wütend geworden und hat die Bierflasche nach mir geworfen.

Was sollten die Leute wissen?

Viele Menschen kennen den großen Unterschied zwischen Drag und Trans nicht. Das eine ist eine Kunstform, das andere definiert deine Identität. Ich fühle mich super wohl in meinem männlichen Körper und kann es nach acht Stunden auf High Heels nicht erwarten, sie auszuziehen, mir das Make-up aus dem Gesicht zu wischen und in Jogginghosen zu steigen. Einige Leute glauben, dass Drags eine Störung haben und lieber Frauen wären.

Was hat Ihnen am Krimi gefallen?

Dass die Heldinnen-Rollen an drei Drags gingen und dabei eine schöne Botschaft vermittelt wurde: Drags sind keine Freaks, sondern Menschen, die sich Anerkennung wünschen. Oder wie es im Krimi heißt: Wir werden alle nackt geboren, der Rest ist Verkleidung.

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