Legende mit Leidenschaft

von Redaktion

Clint Eastwood wird 95 und brennt immer noch fürs Filmemachen

Konservativ und kritisch: Schauspieler und Regisseur Clint Eastwood wird an diesem Samstag 95 Jahre alt. © Peter Foley

Szene aus „Für eine Handvoll Dollar“: Der Western machte Clint Eastwood in Europa schlagartig berühmt. © ProSieben

Über ein Jahrzehnt hat Clint Eastwood von seinem großen Durchbruch geträumt und als es so weit ist, bekommt er nichts davon mit. Ende 1964 entwickelt sich der Billigwestern „Für eine Handvoll Dollar“ zum Überraschungserfolg in Europa. In den USA läuft der Film erst mal nicht an und weil der Titel erst unmittelbar vor Kinostart festgelegt wird, ahnt Eastwood lange nicht, dass es sich bei dem Hit des Jahres in Europa um den Film handelt, in dem er seine erste Hauptrolle spielt.

Irgendwie passt das zur eigenwilligen Karriere von Eastwood, der immer ein Spätzünder war. Der in San Francisco geborene Junge schließt mit einigen Mühen erst mit 19 Jahren die High School ab und treibt dann ziellos als Holzfäller, Golfcaddy und Aushilfsfeuerwehrmann durchs Leben. Obwohl man ihn beim Filmstudio Universal für eher untalentiert hält, wird er 1954 unter Vertrag genommen. Eastwood ist hochgewachsen, athletisch und fotogen, das reicht.

So hangelt er sich in Minirollen durch lausige Filme und wird fünf Jahre später zufällig zum TV-Star. Die Produzenten der später recht erfolgreichen Westernserie „Tausend Meilen Staub“ entdecken Eastwood auf dem Parkplatz des Studios und finden: „Sie sehen aus wie ein Cowboy“. Also wird er der Cowboy vom Dienst – trotz seiner Pferdeallergie. Eastwood genießt den Erfolg, ahnt aber, dass dieser Weg ins künstlerische Nichts führt. Also nimmt er das Angebot an, in Spanien mit dem herzlich unbekannten Sergio Leone das Westernremake eines japanischen Samuraifilms zu drehen. Eastwood akzeptiert die lausige Gage von 15000 Dollar, weil er seinen Horizont erweitern will und neugierig auf Europa ist.

Etablierte Stars wie Henry Fonda oder James Coburn hatten müde lächelnd abgelehnt, Eastwood wirft sich mit Ehrgeiz in das obskure Projekt und definiert damit sein Leinwandimage: Wortkarg, betont physisch agierend und zurückhaltend macht er eine Marke aus sich, die im Grunde über Jahrzehnte nur variiert wird. Mit zwei weiteren phänomenal erfolgreichen Spaghettiwestern wird Eastwood in Europa ein Superstar. Mit 40 wird er endlich auch in seiner US-Heimat erfolgreich und ergreift die Chance, auch Regie zu führen. In den Siebzigerjahren ist Eastwood ein Kassenmagnet, aber regelrecht verhasst bei der Kritik. Ein reaktionärer Gewalt-Verherrlicher sei er und eindimensional. Zumindest was seine Regiearbeiten angeht, sehen viele nicht genau hin.

Denn Eastwood ist ein subtiler Erzähler, der oft Gewalt behandelt, aber sie als abstoßenden, menschenverachtenden Akt zeigt. Als sich in den Achtzigerjahren seine Zeit als Actionheld vor der Kamera dem Ende zuneigt, konzentriert sich Eastwood immer mehr auf die Regie und verblüfft sowohl Fans als auch Kritiker: Mit dem einfühlsamen Musikerporträt „Bird“ über sein musikalisches Idol Charlie Parker erntet Eastwood 1988 erstmals echte Anerkennung und heimst Preise ein. Es folgt ein jahrzehntelanger Triumphzug. Mit 62 wird Eastwood für „Erbarmungslos“ dann mit Oscars geadelt und produziert fast im Jahrestakt Meisterwerke, darunter überraschenderweise sogar berührende Romanzen wie „Die Brücken am Fluss“.

Schauspieler zeigen unter Eastwood immer Ausnahmeleistungen, was mutmaßlich am strengen Regime liegt: Eastwood will möglichst den ersten Take, bei mehr als zwei Wiederholungen wird der Ton rau. Man kann gerne proben und im Vorfeld alles besprechen, aber wenn die Kamera läuft, herrscht der Ernstfall – ähnlich wie im Theater. Erfreulicher Nebeneffekt: Eastwood bleibt oft unter dem Budget, weil er weniger Drehtage braucht als angesetzt. Trotz seines rustikalen Images ist Eastwood als Regisseur ein Komplize der Schauspieler, der nicht herumschreit. Ein leises „Okay“ ersetzt den lauten „Cut“-Ruf seiner Kollegen, und er sitzt nicht in einem Container vor dem Bildschirm, sondern bleibt bei den Schauspielern.

Er ist im Guten wie im Schlechten altmodisch und dabei irritierend vielschichtig. „Niemand kennt mich wirklich“, hat er einmal gesagt und womöglich ist es unmöglich, diesen Mann zu durchschauen. Politisch leicht erkennbar konservativ hat er dennoch eine Schwäche für das Infragestellen von Autoritäten und vermeintlichen Gewissheiten. Er glaubt nicht an Gott, ist aber vom Buddhismus fasziniert. Seit Jahrzehnten meditiert er. Wenn man sich seine Regiearbeiten ansieht, erkennt man einen philosophischen Grübler und feinsinnigen Künstler, der sich von niemandem vereinnahmen lassen will.

Sein Privatleben kann man getrost als unsortiert bezeichnen, acht Kinder von sechs Frauen, mit denen er mitunter parallel Beziehungen unterhielt, zeugen von einem unorthodoxen Familienbegriff. 95 Jahre wird er an diesem Samstag. Und dieses Jahr ist – mal wieder – sein wirklich allerletzter Film „Juror #2“ angelaufen. 2013 hat er scherzhaft gesagt, er wolle 105 werden und bis dahin Filme drehen. Mal sehen, was da noch kommt.
ZORAN GOJIC

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