INTERVIEW

„Wir müssen Mensch bleiben“

von Redaktion

Schauspielerin Silke Bodenbender über das ARD-Drama „Spurlos in Athen“

Verzweifelt versucht Marlene (Silke Bodenbender), ihren Sohn in Athen aufzuspüren. © Roland Suso Richter

Im Herzen ist sie eine rheinische Frohnatur, doch in ihren Filmen konzentriert sich Silke Bodenbender gern auf schwierige Charakterrollen. Im Drama „Spurlos in Athen“, das die ARD heute um 20.15 Uhr wiederholt, spielt die 51-jährige eine Richterin, deren Sohn in Athen gegen das illegale Zurückdrängen von Flüchtlingen kämpft und spurlos verschwindet – auf der Suche nach ihm gerät sie selbst in Lebensgefahr.

Das Drama wurde komplett in Griechenland gedreht, die Hauptstadt Athen wird dabei als wahrer Moloch gezeigt. Wie haben Sie persönlich es dort empfunden?

Athen ist herrlich lebendig und auch chaotisch, vor allem auf den Straßen. Ich hatte ja viele Autoszenen und musste mich erst mal an den Fahrstil vor Ort gewöhnen, bei dem sich wenige an Regeln halten und trotzdem oder gerade deshalb alle viel mehr aufeinander achten. Das Wichtigste sind die Menschen, deren Herzlichkeit einfach überwältigend war.

Sie spielen die deutsche Jugendrichterin Marlene, deren in Athen studierender Sohn plötzlich spurlos verschwindet…

Marlene glaubt an die staatliche Ordnung und arbeitet gewissenhaft in einem in ihren Augen funktionierenden System, zu dem auch passt, dass ihr Sohn ein Austauschjahr im europäischen Ausland macht. So gerät er aber in eine Region Europas, wo die Dinge nicht mehr eindeutig geregelt sind.

Der junge Mann hat sich einer Aktivistengruppe angeschlossen, die gegen illegale Zurückweisungen von Flüchtlingen in der Ägäis vorgeht. Wie haben Sie sich mit dieser Thematik auseinandergesetzt?

Natürlich kannte ich die Thematik aus der Zeitung, aber es war etwas anderes, so unmittelbar damit konfrontiert zu werden. Marlene als Richterin steht ja für einen strikt formellen Umgang mit dem Thema. Durch ihren Sohn wird sie gezwungen, sich direkt mit alldem zu beschäftigen. Vermutlich gibt es hier keine einfache Lösung, aber es ist für unsere Gesellschaft wichtig, dass wir die menschliche Dimension von Flucht niemals vergessen.

Hatten Sie bei den Dreharbeiten Kontakt mit Geflüchteten?

Tatsächlich hatte ich näheren Kontakt zu einer Geflüchteten, die mir detailliert berichtet hat, wie sie sich all den furchtbaren Gefahren dieser Flucht ausgesetzt hat, weil sie einfach keine Alternative hatte.

Wie würden Sie reagieren, wenn Ihre eigenen Kinder sich radikalen Protestgruppen anschließen würden?

So weit sind meine Kinder noch nicht, aber ich denke, dass man Jugendlichen nicht das Recht auf ihre eigene Meinung absprechen kann, auch wenn die radikal sein mag. Ich weiß noch, wie ich selbst viele Dinge kompromissloser gesehen habe, als ich jugendlich war. Natürlich hätte ich immer Sorge, dass meine Kinder sich in Gefahr bringen, und würde ihnen klarmachen, dass ich nicht akzeptiere, wenn sie anderen Menschen schaden.

Sie sind ja Tochter eines Politikers, wie hat Sie das geprägt?

Mein Vater hat mir als kleines Kind ein Buch geschenkt, das hieß „Meine Rechte als Kind“. Insofern habe ich früh gelernt, dass ich eine Stimme habe und ernst genommen werde. Es ist mir wichtig, das auch an meine Kinder weiterzugeben.

Haben Sie es genossen, eine starke Frau zu spielen, die allein in der Fremde ihren Mann steht?

Ich finde nicht, dass man heutzutage über eine Frau noch sagen muss, dass sie ihren Mann steht, und auch Männer müssen nicht ihren Mann stehen und dürfen unsicher sein. Auch früher waren Frauen schon stark. Wie hätten sie sonst die ganze Unterdrückung aushalten sollen? Das große Problem sind schwache Männer, die stark sein und nichts von ihren Privilegien abgeben wollen.

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