Kommunikation gestört: Markus Preiß, der Leiter des ARD-Hauptstadtstudios, mit AfD-Chefin Alice Weidel beim verunglückten „Sommerinterview“ am Sonntag in Berlin. © ANDERSEN/afp
Trillerpfeifen, Hupen, laute Musik und Gesang: Das „Sommerinterview“ der ARD mit AfD-Chefin Alice Weidel wurde am Sonntag massiv gestört. Traditionell finden die Gespräche mit Politikern aller im Bundestag vertretenen Parteien kurz vor der parlamentarischen Pause unter freiem Himmel statt. Bislang lief das immer problemlos, doch am Sonntag hatten sich am anderen Ufer der Spree im Berliner Regierungsviertel Demonstranten versammelt. Teilweise waren die Wortwechsel zwischen Weidel und dem Leiter des ARD-Hauptstadtbüros, Markus Preiß, schwer zu verstehen.
Wer waren die Demonstranten? Hinter der Störaktion steckt nach eigenen Angaben das „Zentrum für Politische Schönheit“. Auf der Internetseite der Aktivisten heißt es: „Das Zentrum für Politische Schönheit radikalisiert den Kampf für Menschenrechte.“ Angemeldet war der Protest mit laut Polizei 40 Teilnehmern am Sonntag nicht. Die Polizei beendete die Aktion, die mit Beginn der Aufzeichnung der Sendung um 15 Uhr losging, nach rund 30 Minuten und leitete Ordnungswidrigkeitenverfahren wegen des Verdachts von Verstößen gegen das Demonstrationsrecht ein.
Warum wurde das Interview nicht abgebrochen? Im Gespräch mit „Tagesthemen“-Kollegin Julia-Niharika Sen hatte Markus Preiß am Sonntagabend bereits erklärt, dass er sich während des Interviews, als ein Beitrag eingespielt wurde, mit Alice Weidel zu dieser Frage besprochen habe. Ergebnis: „Wir wollen weitermachen.“ Weidel habe die Situation „sportlich genommen“, so Preiß. Als die AfD-Chefin im Regierungsviertel eingetroffen sei, habe auch noch alles auf ein „normales“ „Sommerinterview“ hingedeutet, heißt es bei der ARD. Der Protest habe sich erst formiert, als Weidel Platz genommen habe.
Auf Nachfrage unserer Zeitung gestern erklärt das Hauptstadtbüro: „Wir bedauern, dass das Interview durch die akustische Protestaktion teilweise schwer zu verstehen war. Wir werden das intern auswerten.“
Warum ist man nicht in ein Studio ausgewichen? Das hätte man doch auch den Zuschauern im Live-Stream erklären können? Leider keine konkrete Antwort auf diese Frage. Nur so viel: „Ein ungestörter Ablauf der Interviews ist in unserem Interesse und vor allem im Interesse des Publikums, daher werden wir aus der Sendung Schlüsse ziehen und in Zukunft Vorkehrungen treffen.“ Man spreche jetzt mit der Polizei des Bundestages und der Berliner Polizei, „ob und welche zusätzlichen Vorkehrungen für die nächsten geplanten ,Sommerinterviews‘ sinnvoll sind, und wir entscheiden dann über eine Realisierung vor Ort oder im Studio“. Markus Preiß musste in den „Tagesthemen“ eingestehen, dass „journalistisch manches auf der Strecke geblieben“ sei. „Einfach wegen dieses Lärms.“ Intern dürfte es im Hauptstadtstudio gestern ordentlich gekracht haben.
Was sagt die AfD? So „sportlich“ wie in der Sendung nimmt Alice Weidel den Vorgang gestern nicht mehr. In der Partei wird eine Wiederholung des „Sommerinterviews“ mit der Parteivorsitzenden gefordert. „In einer solchen Situation hätte die ARD für ein faires, ungestörtes Interview ins Studio ausweichen müssen“, sagte der Vize-Fraktionschef im Bundestag, Markus Frohnmaier, dem Nachrichtenportal „Politico“. „Ich erwarte, dass das Gespräch unter fairen Bedingungen wiederholt wird.“ Weidel selbst kritisierte die Protestaktion ebenfalls: „Es ist für die Debattenkultur in unserem Land nicht zuträglich, die Presse- und Informationsfreiheit derart anzugreifen“, sagte sie dem Portal. Zieht die ARD eine Wiederholung der Sendung in Betracht? Auch das war auf Nachfrage beim Hauptstadtstudio nicht zu erfahren. Wahrscheinlich ist es nicht.STEFANIE THYSSEN