Das Drama „Halt auf freier Strecke“ (Mi., 20.15 Uhr) geht tief unter die Haut. © Pandora
Die Komödie „Sommer vorm Balkon“ macht heute um 20.15 Uhr den Auftakt. © dpa
Regisseur Andreas Dresen ist ein einfühlsamer Chronist des Alltags – es sind die Geschichten der kleinen Leute, die den 61-Jährigen interessieren. © Jan Urbanski
Er ist ein einfühlsamer Chronist des Alltags, seine meist tragikomischen Filme schildern das ganz gewöhnliche und manchmal arg komplizierte Leben ganz normaler Leute. Mit liebevollem Blick für seine unauffälligen Protagonisten und deren Nöte liefert der preisgekrönte Regisseur Andreas Dresen seit vielen Jahren wichtige Beiträge zum deutschen Kino, mit Filmen wie „Sommer vorm Balkon“ oder „Halt auf freier Strecke“ hat der 61-Jährige einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Mit einer kleinen Filmreihe würdigt der Kultursender Arte jetzt das Schaffen des gebürtigen Thüringers, gezeigt werden heute und an diesem Mittwoch zwei Filme und eine Dokumentation im linearen Fernsehen sowie vier weitere Filme in der Mediathek.
Mit Andreas Dresens bekanntestem und vielleicht auch bestem Film geht es heute um 20.15 Uhr gut los: Die herrlich leichtfüßige Komödie „Sommer vorm Balkon“ von 2005 erzählt die Geschichte zweier Freundinnen, die in Berlin durch dick und dünn gehen und sich dann wegen eines Mannes doch noch in die Haare kriegen. Der Film machte Nadja Uhl zum Star. Sie spielt die unerschrockene Pflegekraft Nike, die sich liebevoll um alte Menschen in der Nachbarschaft kümmert und mit ihrer typisch Berliner Schnauze das Leben zu nehmen versteht. Ihre beste Freundin Katrin (Inka Friedrich), die im selben Mietshaus wohnt, arbeitslos ist und ihren Sohn alleine großzieht, hadert dagegen mit dem Schicksal und sucht dringend einen Job und einen neuen Vater für ihr Kind. Auf Nikes Balkon entspannen sich die beiden jungen Frauen abends bei Rotwein und guten Gesprächen vom Alltag, und im Prinzip könnte das ewig so weitergehen. Doch dann drängt sich in Gestalt des selbstbewussten Truckers Ronald (Andreas Schmidt) ein Mann zwischen die beiden Frauen – und mit der Harmonie ist es erst mal vorbei.
Nach heiterem Auftakt mit „Sommer vorm Balkon“ schlägt Andreas Dresen im Sterbedrama „Halt auf freier Strecke“ (Mittwoch, 20.15 Uhr) ernste Töne an. Steffi Kühnert und Milan Peschel spielen das Berliner Ehepaar Lange, das eines Tages eine furchtbare Nachricht erhält: Der 44-jährige Frank hat einen unheilbaren Hirntumor und nur noch kurze Zeit zu leben. Als das Paar vom Arzt die Diagnose erfährt, konzentriert sich die Kamera minutenlang nur auf die ungläubigen und entsetzten Gesichter der beiden – eine der beeindruckendsten Szenen im Werk Andreas Dresens. Mit seinem Smartphone dokumentiert Frank in den Wochen nach der Diagnose das Fortschreiten seiner Erkrankung und den Alltag seiner vierköpfigen Familie, die im neu gekauften Häuschen am Stadtrand Berlins plötzlich im Schatten des herannahenden Todes lebt und damit klarkommen muss. Von der Chemotherapie und starken Medikamenten entkräftet, entwickelt Frank Wahnvorstellungen, die darin gipfeln, dass sein Hirntumor menschliche Gestalt annimmt. Thorsten Merten spielt das Krebsgeschwür, das in der Vorstellung des Kranken sogar in der Talkshow von Harald Schmidt auftritt, der in einer kleinen Gastrolle zu sehen ist – ein typisches Beispiel für den bisweilen schrägen Humor, auf den Andreas Dresen auch in seinen tragischen Filmen nicht verzichtet.
Im Anschluss an das Drama steht am Mittwoch um 22 Uhr die sehenswerte Dokumentation „Andreas Dresen – Ein Leben für den Film“ im Programm, in dem sich der Regisseur ausführlich zu seiner Arbeit äußert und in der Weggefährten wie Axel Prahl zu Wort kommen. In der Arte-Mediathek stehen außerdem Dresens Filme „Nachtgestalten“, „Wolke 9“, „Halbe Treppe“ und „Stilles Land“ zum Abruf bereit.MARTIN WEBER