Mary war seine glamouröse Kunstfigur. © Sigi Jantz
Georg Preusse lebt heute in der Schweiz. © Sigi Jantz
Mit seiner Kunstfigur „Mary“ hat er die Travestiekunst in den Achtzigerjahren salonfähig gemacht. Über vier Jahrzehnte spielte Georg Preusse „die schönste Lüge auf zwei Beinen“, wie er „Mary“ einmal nannte. Mit ihr brachte der Travestiekünstler ein Millionenpublikum zum Lachen – und wohl auch zum Nachdenken. An diesem Sonntag feiert er 75. Geburtstag.
Geboren wurde Preusse im niedersächsischen Ankum bei Osnabrück. Er lernte zunächst den Beruf des Radio- und Fernsehtechnikers und sollte das Radiogeschäft seines Vaters übernehmen. Doch seine Leidenschaft galt früh der Bühne. Schon als junger Mann trat Preusse in Clubs als Travestiekünstler auf und entwickelte dort die glamouröse Kunstfigur „Mary Morgan“. 1975 legte er seinen ersten Auftritt in der Rolle seines Lebens hin. Sein Interesse für Travestie stieß in seiner Familie auf wenig Begeisterung. „Mein Vater hat mir sogar Hausverbot gegeben“, sagte Preusse einmal. Erst als sein Vater ihn im Fernsehen gesehen habe, habe sich das geändert. Bekanntheit erlangte Preusse ab 1978 als Teil des Travestie-Duos „Mary und Gordy“ – an der Seite des Schauspielers Reiner Kohler. 1981 hatten sie ihre erste eigene Fernsehshow.
Auf dem Höhepunkt ihrer Bekanntheit musste Kohler aus gesundheitlichen Gründen seine Karriere beenden. Für das Duo „Mary und Gordy“ bedeutete dies das Ende. Aus diesem Tief wurde Preusse von dem Dramatiker und Regisseur Friedrich Dürrenmatt gezogen. Dürrenmatt kannte Preusses Auftritte als „Mary“ und gab ihm 1988 eine Rolle in der Inszenierung seiner Komödie „Achterloo IV“. Darauf folgten weitere Theaterrollen.
Außerdem gelang Preusse der Start in die Solokarriere: Die erste „Mary“-Tournee war 1989. Die Shows: eine Mischung aus Sketchen, Liedern und Tanz. Dabei behandelte Preusse auch Themen wie Gewalt in der Ehe, Wechseljahre oder die Immunschwächekrankheit Aids. Allen Auftritten war gemein, dass er sich am Ende mit dem Lied „So leb dein Leben“ verabschiedete – nach dem Frank-Sinatra-Hit „My Way“. Dabei entfernte er auf der Bühne seine Schminke und legte Kostüm, Perücke und künstliche Wimpern ab. 2010 stand er zunächst zum letzten Mal als „Mary“ auf der Bühne und zog sich ins Privatleben zurück.
„Mary hat mich fertig gemacht“, sagte er 2018 der „Bild“-Zeitung. „Die Rolle war mit Tränen und großen Ängsten verbunden.“ Seine größte Angst sei gewesen, „nicht zu genügen. Und diese Angst ist immer größer geworden.“ 2014 kehrte Preusse bei den Berliner „Jedermann“-Festspielen zurück auf die Bühne. Im Berliner Schlosspark Theater spielte er 2018 Papst Pius XII. in Rolf Hochhuths „Der Stellvertreter“. Preusse lebt mit seinem Partner und Manager Jack Amsler in der Schweiz. Sie heirateten 2002.THORBEN BEHRING