„Rund und barock“: Sägebrecht als „Marga Engel“.
Von der Arzthelferin über die Kneipenwirtin zur Schauspielerin: Marianne Sägebrecht hat viele Talente. Heute wird sie 80 Jahre alt. © SVEN SIMON
Es gibt Zufälle, die Lebensgeschichten auf den Kopf stellen. Als Marianne Sägebrecht Ende der Siebzigerjahre in München Theater spielte, sah sie zufällig der Regisseur Percy Adlon, der im Publikum saß. Fortan besetzte Adlon sie in seinen Filmen. Dass er sie – unter anderem – in „Out of Rosenheim“ die Hauptrolle spielen ließ, war aus Sicht der Schauspielerin eine kleine Revolution. „Er hat einen runden Menschen in ein schönes Licht gestellt, das war eine Pioniertat“, sagte Sägebrecht Jahre später. Der Film machte die Bayerin weltberühmt und brachte ihr zahlreiche Preise ein, doch die Bodenhaftung verlor sie nie. Heute wird die Bayerin 80 Jahre alt.
Zunächst arbeitete sie als Arzthelferin
Als sie am 27. August 1945 in Starnberg auf die Welt kam, war Sägebrechts Vater schon tot. Er fiel in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs. So wuchs die kleine Marianne in der Gärtnerei des Großvaters auf. An eine Karriere als Künstlerin dachte Sägebrecht lange nicht. Mit 16 Jahren zog sie nach München, machte eine Ausbildung zur Arzthelferin und arbeitete dann neun Jahre lang in diesem Beruf, unter anderem bei einem Psychiater. Als sie dort kündigte und das Kleinkunstlokal Spinnradl in Starnberg übernahm, habe der Arzt geweint, erinnert sich Sägebrecht.
Später wurde sie Wirtin im Schwabinger Mutti Bräu, das bald ebenfalls Kult wurde und in dem sich von Zirkusartisten über Studenten bis hin zu Künstlern all jene trafen, die nichts von den üblichen Wirtshäusern hielten. „Das war ein buntes Völkchen“, erinnerte sich Sägebrecht. Von 1977 bis 1981 arbeitete sie am von ihr gegründeten Revuetheater Opera curiosa und spielte nebenher Theater. Dort wurde Percy Adlon auf sie aufmerksam und holte sie zum Film, wo sie zunächst kleinere Rollen spielte.
Ein erster großer Erfolg war „Zuckerbaby“ (1985), eine Liebesgeschichte zwischen einer Totengräberin und einem Münchner U-Bahnfahrer. Drei Jahre später kam dann das Roadmovie „Out of Rosenheim“ in die Kinos, das unter dem Namen „Bagdad Café“ auch international ein Kassenschlager wurde. Darin spielt Sägebrecht eine spröde Bayerin, die mitten in der Wüste im US-Bundesstaat Arizona von ihrem Ehemann sitzen gelassen wird und in ein schäbiges Motel zieht. Dort blüht sie auf wunderbare Weise auf und bezaubert ihr Umfeld.
Anschließend drehte Sägebrecht auch einige internationale Filme, unter anderem an der Seite von Michael Douglas („Der Rosenkrieg“), John Malkovich („Der Unhold“), Michel Piccoli („Martha und ich“) oder als Gutemine an der Seite von Gérard Depardieu in der ersten „Asterix“-Realverfilmung von 1999. Doch ganz vereinnahmen ließ sie sich nie von der Filmwelt – und war stolz darauf. Immer wieder berichtete Sägebrecht später, dass Woody Allen sie in einem seiner Filme besetzen wollte, sie jedoch abgesagt habe.
Sägebrecht kehrte lieber nach München zurück, wo sie gemeinsam mit ihrer 1967 geborenen Tochter, ihrer Schwester und ihrer Mutter in Schwabing lebte. Diese 18 Jahre seien die beste Zeit ihres Lebens gewesen, sagte sie vor zwei Jahren in einem Interview.
Mittlerweile lebt sie wieder auf dem Land
Seit Ende der Neunzigerjahre war Sägebrecht dann vor allem in deutschen Fernsehproduktionen zu sehen, etwa als „Marga Engel“ in der gleichnamigen Reihe an der Seite von Gunter Berger oder in dem Film „Eine Frau nach Maß“, in dem sie eine Provinzpostbotin spielt, die zum Abnehmen gezwungen wird. Die Idee zum Film entwickelte Sägebrecht, die sich selbstbewusst als „runde, barocke Frau“ bezeichnet und sich stets kritisch über den vorherrschenden Schlankheitswahn äußerte, selbst.
Mittlerweile lebt Sägebrecht schon seit vielen Jahren wieder auf dem Land, nahe Hohenschäftlarn im Landkreis München. Vor dem Tod fürchte sie sich nicht, sagt sie. Im Gegenteil, die Künstlerin engagiert sich regelmäßig in einem Hospiz: „Ich habe keine Berührungsängste und keine Angst vor dem Hinübergehen.“ ANNE-FELICITAS PETERS