„Mir macht es Spaß, Leute zu überraschen“: Dieter Hallervorden ist auch im hohen Alter noch aktiv. An seinem 90. Geburtstag am kommenden Freitag steht er als „Eingebildeter Kranker“ auf der Theaterbühne. © Jens Kalaene/dpa
Es sind zwei Wörter, die in diesem Film immer wieder vorkommen – das „Kind“, das er geblieben sei, und der „Revoluzzer“. Sie sollen einen Mann charakterisieren, der Fernseh-, Film- und Kabarettgeschichte geschrieben hat, einen Mann, den die meisten, auch die, die seine Filme und Sketche nie gesehen haben, nur „Didi“ nennen – Dieter Hallervorden. Am kommenden Freitag wird er 90 Jahre alt, aus diesem Grund widmet das Erste Hallervorden zur besten Sendezeit ein eineinhalbstündiges Porträt.
„Didi gegen den Rest der Welt“ lautet der Titel des Films von Simon Tanschek und Lukas Hoffmann, durchaus provokativ, denn Hallervorden sorgte zuletzt durch missverständliche Äußerungen für Schlagzeilen. Tanschek und Hoffmann verzichten auf einen eigenen Kommentar, sie zeigen zahlreiche Filmszenen und Ausschnitte aus Filmen und Sketchen sowie aus historischen Interviews, lassen Kolleginnen und Kollegen zu Wort kommen, außerdem seine Agentin, seine dritte Ehefrau Christiane, seine Tochter Nathalie, seinen Sohn Johannes und natürlich ihn selbst.
Als „rebellisch“ kann man den jungen Hallervorden tatsächlich bezeichnen, der gebürtige Dessauer wehrt sich in der jungen DDR gegen die Bevormundung durch das Regime, plant sogar ein Attentat auf Walter Ulbricht („Das war natürlich totaler Quatsch“) und setzt sich, als ihn die Behörden ins Visier nehmen, noch vor dem Mauerbau nach Westberlin ab. Dort gründet er Anfang der Sechzigerjahre das Kabarett „Die Wühlmäuse“. Erste bundesweite Aufmerksamkeit erzielt er durch seine – ernste – Rolle als Killer in dem legendären Fernsehfilm „Das Millionenspiel“ (1970), doch sein Image prägen sollte die ARD-Comedyserie „Nonstop Nonsens“ (ab 1975) und die „Didi“-Filme, die im Kino ein großes Publikum erreichten.
Die Brachialkomik, der Slapstick, die riskanten Stunts, die ihn einmal fast das Leben kosten – sie werden zu seinen Markenzeichen, das legendäre „Palim-palim“ zum Codewort. Hallervorden maskiert sich, schlüpft in viele Rollen und ist doch immer irgendwie „Didi“, eine Mensch gewordene Karikatur. „Er ist die Figur, die Marke, nicht losgeworden“, konstatiert sein langjähriger Produzent Wolf Bauer. Und auch der Schauspieler selbst bedauert heute, nicht rechtzeitig losgelassen zu haben.
Hallervorden, der Revoluzzer? Er findet zurück zum Kabarett, präsentiert zunächst bei Sat.1 die Sendung „Spottschau“, wechselt, als man ihm dort Witze über Helmut Kohl und die Kirche verbieten will, zurück zur ARD, mit „Hallervordens Spottlight“ (1994–2003), darin unter anderem eine Nummer, in der Kollege und Co-Autor Frank Lüdecke als Moderator den Vertreter einer Partei namens „Aktionsgemeinschaft Freunde der Diktatur“ interviewt.
Spät schafft „der Getriebene“ (Tochter Nathalie) den Sprung ins Charakterfach mit Hauptrollen in „Sein letztes Rennen“ (2013) und „Honig im Kopf“ (2014). Wie tief gekränkt er noch immer ist, zeigen seine Dankesworte bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises. Der sei „eine saftige Ohrfeige für alle Möchtegernkritiker, die mich als Komödianten jahrzehntelang abgewatscht haben“.
Hallervorden, das Kind? Zuletzt sorgt sein Auftritt in der Show zum 75. Geburtstag der ARD, in der er beklagt, nicht mehr alles sagen zu dürfen, für Kritik. Tanschek und Hoffmann lassen auch hier andere kommentieren. Kabarettistin Carolin Kebekus spricht vom „Opa“, der wie bei einer Familienfeier „am Ende noch mal eskaliert und alle Wörter droppt, bei denen wir uns aus gutem Grund einig waren, dass man die nicht mehr benutzt“. Und auch für Sohn Johannes war „der Auftritt absolut unnötig“.
„Mir macht es Spaß, Leute zu überraschen“, sagt Dieter Hallervorden an einer Stelle in diesem Porträt. An seinem 90. Geburtstag steht er als „Eingebildeter Kranker“ auf der Bühne seines Schlossparktheaters, der Film zeigt ihn am Ende als Gast einer Show, in der er mit einer Umdichtung des Udo-Jürgens-Hits „Mit 66 Jahren“ das Publikum von den Sitzen reißt. „Mit 99 Jahren“ lautet der Titel, darin die vielsagenden Zeilen „Und was ich will, das mach‘ ich, ob mit, ob ohne Sinn“. OGIERMANN