Menschliche Abgründe

von Redaktion

„Ich sehe dich“, Fabian Hinrichs‘ erstes Solo im Franken-„Tatort“, ist ein klassischer Kriminalfall

Wer tötete Andreas Schönfeld – und warum? Das müssen die Kommissare Felix Voss (Fabian Hinrichs) und Wanda Goldwasser (Eli Wasserscheid) herausfinden. © Bernd Schuller

„Kein Mensch ist so gut, dass er immer nur an andere denkt“, sagt Felix Voss (Fabian Hinrichs) – und ist damit schon auf der richtigen Spur. Was muss Andreas Schönfeld Schreckliches getan haben, um durch Hammerschläge auf den Kopf getötet und irgendwo im Nirgendwo vergraben zu werden? Es ist ein klassischer Kriminalfall, mit dem die ARD die neue „Tatort“-Saison eröffnet. Ohne Action, ohne die üblich gewordene Schar von Verdächtigen, die zum munteren Mörderraten einladen soll. Das haben die Autoren hier nicht nötig, im Gegenteil – sie offenbaren den Täter lange vor dem Ende.

„Ich sehe dich“, erdacht vom eingespielten Franken-„Tatort“-Team Max Färberböck und Catharina Schuchmann, fließt ruhig dahin, und wer sich auf das Erzähltempo einlässt, wird belohnt mit gut gezeichneten Charakteren und stimmigen Schauplätzen. Die Kamera (Daniela Knapp) bleibt lange auf den Gesichtern, sie lässt ganz untheatralisch tiefe Verwundungen sichtbar werden. Die der Mutter des Opfers (Marion Reuter), der auch Täter war. Die der von ihm grausam misshandelten jungen Frau (Mavie Hörbiger). Die ihres Lebensgefährten (Alexander Simon).

Färberböck und Schuchmann psychologisieren nicht, sie lassen den Figuren ihre Geheimnisse, nähern sich ganz unspektakulär menschlichen Abgründen. Affekte werden hier kompensiert durch die pulsierende Musik, Kameraflüge übers nächtliche Nürnberg lassen die Zuschauerinnen und Zuschauer Luft holen in diesem stillen Drama. „Ich sehe dich“ ist ganz und gar zu einem Voss-„Tatort“ geworden, Hinrichs muss seine Präsenz nun nicht mehr teilen mit der Dagmar Manzels, er zeigt einen empathischen Kommissar zwischen klassischer Emittlerroutine und Intuition (die auch mal trügt). Dem großen Ganzen verpflichtet ist Eli Wasserscheid als Assistentin Wanda Goldwasser.

Wie liebevoll Färberböck, der zusammen mit Danny Rosness auch Regie führte, seine Protagonisten inszeniert, zeigt die Figur des „Fahrers“ Fred Kramer (Sigi Zimmerschied). Mit so wenigen Mitteln und so wenig Text hat – zumindest im Franken-„Tatort“ – wohl noch kein Polizistendarsteller einen bleibenden Eindruck hinterlassen.RUDOLF OGIERMANN

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