Neues vom Stadtneurotiker

von Redaktion

Kurz vor seinem 90. Geburtstag legt Woody Allen seinen ersten Roman vor

Rund 50 Filme hat Woody Allen in den vergangenen Jahrzehnten gedreht, kurz vor seinem 90. Geburtstag kommt sein erster Roman heraus. Dessen Hauptfigur erinnert stark an den Regisseur selbst. © Ferrari/epa

In Asher Baums Leben scheint sich eine Baustelle an die andere zu reihen. Für seine Werke bekommt der jüdische Journalist, der Romanautor und Dramatiker geworden ist, nur mehr mäßige Kritiken. Und auch in seiner dritten Ehe mit seiner Frau Connie, die ständig von ihrem erfolgreichen Sohn Thane schwärmt, kriselt es ordentlich. Langsam aber sicher verliert Baum den Verstand – und dann sieht er sich noch mit Vorwürfen sexueller Belästigung konfrontiert.

50 Filme hat Woody Allen (89) in den vergangenen Jahrzehnten geschaffen, ein Roman blieb bislang aus. Mit „What’s with Baum?“ bringt der erfolgreiche Filmemacher kurz vor seinem 90. Geburtstag am 30. November nun jedoch sein erstes literarisches Werk dieser Art auf den Markt. Auf mehr als 180 Seiten beschreibt Allen einen von allerlei Unsicherheiten zerfressenen Mann mittleren Alters, der stets philosophisch über den Sinn des Lebens grübelt, sich gerne in Selbstmitleid suhlt und zwischendurch zu dem ernüchternden Schluss kommt: „Niemand verstand Asher Baum wirklich, außer Asher Baum selbst. Kein Psychiater, keine Ex, kein Freund, denn im Laufe der Jahre schienen sie alle nach und nach verschwunden zu sein.“

Es reichen nur wenige Seiten, um die eine oder andere Parallele zwischen dem fiktiven Asher Baum und dem Regisseur mit der markanten schwarzen Brille zu finden. Wie Baum ist auch Woody Allen jüdischer Abstammung. Und auch er lebt bereits in seiner dritten Ehe mit der Adoptivtochter seiner Ex-Frau Mia Farrow, Soon-Yi Previn. Die Liaison der beiden und die Schlammschlacht mit Farrow beherrschte monatelang die Schlagzeilen der Klatschpresse. Und dann gibt es da noch andere, ernstere Gemeinsamkeiten. Allens Erfolg wird seit Jahrzehnten von Missbrauchsvorwürfen seiner Adoptivtochter überschattet. Im Zuge der „MeToo“-Bewegung gegen sexuelle Belästigung kochten diese erneut hoch – und machen Allen, der in Europa zuletzt deutlich erfolgreicher war als in seinem Heimatland, in seiner Branche mehr und mehr zur Randfigur, von der sich viele Hollywood-Stars abgewendet haben. Der Regisseur hat alle Anschuldigungen stets zurückgewiesen – und auch jegliches Interesse an seinem öffentlichen Image verneint. „Was auch immer geschieht, ich lebe in einer Art Blase.“ Zuletzt hatte er etwa mit einem Auftritt bei einem Filmfestival in Moskau und zumindest teilweise positiven Aussagen zu US-Präsident Donald Trump und Jeffrey Epstein von sich hören lassen. Neu ist Woody Allens Schaffen als Buchautor nicht. 2020 verteidigte der 1935 als Allan Stewart Konigsberg in eine jüdische Familie im New Yorker Stadtteil Brooklyn hineingeborene Regisseur seine Sicht der Dinge in seiner Autobiografie „Ganz nebenbei“, deren Veröffentlichung von Protesten begleitet war. Kritiker zerrissen das Werk. Mit dem Misserfolg der Hauptfigur dürfte sich Allen trotz dieser Rückschläge nur bedingt identifizieren können. Dutzende Filme hat der mehrfache Oscar-Preisträger im Laufe seiner Karriere gemacht, darunter Werke wie „Der Stadtneurotiker“ und „Vicky Cristina Barcelona“. Er schrieb Drehbücher, führte Regie und stand selbst vor der Kamera, dafür bekam er unzählige Auszeichnungen. Seinen bislang letzten Film, die Komödie „Coup de Chance“, stellte er 2023 beim Filmfestival in Venedig vor.

Und die vielen Gemeinsamkeiten, die sich zwischen Woody Allen und seiner Hauptfigur unaufhörlich auftun? Angesprochen auf die Frage, ob die Leser etwa bei den im Buch beschriebenen Vorwürfen der sexuellen Belästigung Parallelen zu Allen ziehen könnten, sagte er der britischen Zeitung „The Sunday Times“: „Die werden sehen, was sie wollen, das stört mich keine Sekunde.“CHRISTINA HORSTEN

Woody Allen:

„What‘s with Baum?“.
Post Hill Press Verlag, New York, 192 Seiten.

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