Ein Leben wie ein Slalom

von Redaktion

Der BR widmet Ex-Ski-Star Hilde Gerg eine „Lebenslinie“, die von Höhen und Tiefen erzählt

Die wilde Hilde ist ein bisschen ruhiger geworden: Gerg hat gestern ihren 50. Geburtstag gefeiert. © Max Prantner/BR

Es gibt ein Wort, das gefällt ihr gar nicht: Witwe. Das klingt in ihren Ohren einfach nur furchtbar, irgendwie nach Opfer. Und das ist das Letzte, was sie sein möchte. Hilde Gerg ist tatsächlich immer genau das Gegenteil gewesen: eine Kämpferin. Eine Weltklasse-Skifahrerin, die nach einem Sturz und schweren Verletzungen nie liegen blieb, sondern immer wieder aufstand. Und eine Frau, die auch nach einem schweren Schicksalsschlag – dem Tod ihres Mannes – nicht die Hoffnung auf ein erfülltes Leben verlor. Von all dem erzählt die „Lebenslinie“, die der Bayerische Rundfunk über die „wilde Hilde“, wie sie einst wegen ihres Fahrstils genannt wurde, gedreht hat. Ausgestrahlt wird der Film heute um 22 Uhr anlässlich ihres 50. Geburtstags.

Das Porträt steigt im Hier und Jetzt ein. Man sieht Hilde Gerg mit ihrem zweiten Mann Markus und den Kindern im Garten ihres Hauses in Schönau am Königssee sitzen. Eine glückliche Familie, denkt man sich. Aber die meisten Zuschauer dürften wissen, dass vor allem hinter Hilde schwere Zeiten liegen.

Aufgewachsen ist sie, die spätere Siegerin von 20 Weltcup-Rennen, vier WM- und zwei Olympia-Medaillen, auf dem Brauneck. Ein Jahr vor ihrer Geburt hatten ihre Eltern die Tölzer Hütte übernommen. Sie leben in einfachen Verhältnissen, und obwohl Hilde ihre Kindheit als glücklich beschreibt, fasst sie, so erzählt sie es im Film, im Alter von gerade mal drei Jahren den Entschluss: Hüttenwirtin mag sie nicht werden. Dafür entdeckt sie ihre Leidenschaft fürs Skifahren. Sie hat Talent – und außerdem sind die vielen Trainingsstunden eine willkommene Erklärung, um auf der Hütte nicht helfen zu müssen. Mit 14 kommt sie ins Sportinternat Garmisch-Partenkirchen, ein Jahr später geht es nach Berchtesgaden. Hier lernt Hilde Gerg Wolfgang Graßl kennen, der erst ihr Trainer und dann ihre große Liebe wird.

Über ein Jahr halten die beiden ihre Beziehung geheim, sie wollen Gerede vermeiden und sich nicht dem Vorwurf aussetzen, dass er sie bevorzugt. Einige Zeit geht das gut, irgendwann können und wollen sie sich aber nicht mehr verstecken. Sie sind glücklich – und erfolgreich. Hilde holt 1998 in Nagano olympisches Gold im Slalom. Den Kurs hatte allerdings ausgerechnet Graßl gesteckt. Die Konkurrenz fühlt sich betrogen, der Ärger ist da – und Graßl tritt zurück. Es ist das Ende der gemeinsamen Arbeit, beide empfinden die Situation als zu belastend. Privat bleiben sie zusammen, im Sommer 2000 heiraten sie. 2006 beendet sie ihre Karriere, 2007 wird Anna geboren, 2008 Wolfgang junior. Sie freuen sich auf die Zeit als Familie. Alles ist perfekt. Bilderbuchmäßig. Doch im April 2010 stirbt Graßl im Alter von 40 Jahren an einem Riss der Aorta.

Viele Frauen und Mütter würde das gewiss in die Verzweiflung stürzen. Hilde Gerg geht, wie sie selbst sagt, bei aller Trauer „lösungsorientiert“ mit der Situation um. Es muss ja weitergehen, irgendwie. Liegen bleiben war schon als Sportlerin keine Option für sie, und das kommt jetzt für sie auch nicht infrage. Sie kümmert sich um die beiden Kinder, erhält Unterstützung von den Großeltern, nimmt irgendwann ihre Rolle als Single an und kann sich drei Jahre nach Wolfgangs Tod auf einen neuen Mann einlassen: den Physiotherapeuten Markus, in dessen Praxis sie heute mitarbeitet. „Er ist so ein Brummbär mit einem weichen Kern“, sagt sie über ihn. Sie heiraten, 2015 kommt Benedikt auf die Welt. Die wilde Hilde ist ruhiger geworden. Und schaut optimistisch in die Zukunft: „Bei mir“, sagt sie mit einem zufriedenen Lächeln, „ist das Glasl immer halb voll.“STEFANIE THYSSEN

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