Junge Mutter: Verena Altenberger als Elies Heingeiger.
Die Bergpanoramen, wenn auch oft im Nachtdunkel liegend, sind das Idyllischste an diesem Film. Schon der Blick in die Häuser mit ihrer kargen Möblierung dagegen zeigt, wie hart das Leben der Dörfler irgendwo in Oberbayern war – da mag der Dreigesang der Frauen am Abend in der Stube noch so harmonisch klingen. Der Krieg hat die Menschen noch rauer werden lassen, als sie traditionell sind, nach dem Ende der Monarchie im Deutschen Reich und in Bayern regiert die Anarchie. In der Zeit zwischen 1918 und 1933 –mit einem größeren zeitlichen Sprung – siedelt Regisseur Matti Geschonneck seinen Zweiteiler „Sturm kommt auf“ an, den das ZDF heute ab 20.15 Uhr zeigt, unterbrochen nur durch das „heute journal“ um 21.45 Uhr. Die literarische Vorlage – sie trägt den Titel „Unruhe um einen Friedfertigen“ – stammt von Oskar Maria Graf (1894-1967).
Josef Hader spielt die Rolle grandios
Zentrale Figur im Buch wie im Film ist der Schuster Julius Kraus, grandios gespielt von Josef Hader. Er ist verwitwet, sein einziger Sohn lebt in den USA. Der stille, bescheidene Mann will sich heraushalten aus der Politik, die auch die Menschen in der Provinz, Familienangehörige, Freunde, Nachbarn, gegeneinander aufbringt. Und er hat, so muss man das wohl mit dem Wissen von heute sagen, aufgrund seiner Herkunft gute Gründe dafür. Drehbuchautorin Hannah Hollinger hat um ihn herum ein paar prototypische Charaktere erschaffen, die die Spaltung der Gemeinde im fiktiven Lohfing am Anfang und am Ende der Weimarer Republik illustrieren.
Sigi Zimmerschied und Frederik Linkemann als Vater und Sohn Heingeiger stehen für einen Generationenkonflikt, das Schicksal von Elies Heingeiger (Verena Altenberger), die Mutter eines unehelichen „Russenkindes“ ist, zeigt exemplarisch die Stellung der Frau in dieser Epoche. Ordensmann Johannes Huber (Matthias Bundschuh) ist der Vertreter einer nicht mehr allmächtigen katholischen (Amts-)Kirche, Ludwig Allberger (Sebastian Bezzel) der verhasste „Rote“. Dazwischen Opportunisten wie der Krämer Johann Stelzinger (Helmfried von Lüttichau).
Hollinger und Geschonneck zeigen, vor allem im zweiten Teil, die Agonie der fragilen ersten deutschen Demokratie. „Wird wohl schon bald wieder eine neue Regierung geben“, sagt einmal spöttisch Anna Stelzinger (Susi Stach). Scheinbar unaufhaltsam bricht sich, Schritt für Schritt, auch auf dem Land der Nationalsozialismus Bahn, gelingt es der SA, durch ihre pure Präsenz den regulären Ordnungskräften Konkurrenz zu machen. Wird der latente Judenhass salonfähig. Diskursverschiebung, würde man wohl heute sagen. „Die Nazis kennen keine Gesetze“, warnt Kommunist Allberger – ein Menetekel, für das, was kommen sollte von 1933 bis 1945.
Ein „Zeitporträt im Westerngewand“
Für Regisseur Matti Geschnonneck („Die Wannseekonferenz“) ist der Zweiteiler in erster Linie ein „Heimatfilm“, ein im Voralpenland spielendes „Zeitporträt im Westerngewand“. Er zeige, wie Menschen verführt und ins Verderben gestürzt werden – und habe damit durchaus Bezüge zur Gegenwart. Allerdings: „Ich überlasse es den Zuschauerinnen und Zuschauern, mögliche Parallelen zu ziehen.“
Deutlicher werden die Schauspieler. Der Film sei „eine Art Wake-up-Call“, sagt Frederik Linkemann, der seinen skrupellosen SAler mit beklemmender Inbrunst spielt: „Schaut hin, wie gewisse Dynamiken eine Gesellschaft spalten und verändern können, bis es vielleicht zu spät ist.“ Und Sebastian Bezzel findet: „Einfach mal ab und zu Nachrichten schauen oder Zeitung lesen, dann merkt man schnell, dass dieser Stoff unangenehm aktuell ist.“ RUDOLF OGIERMANN