Kati hat das Eis gebrochen

von Redaktion

In „Being Katarina Witt“ porträtiert die ARD den Ex-Eiskunstlaufstar

Einmal in diesem Porträt fallen die Namen Boris Becker und Michael Schumacher – als deutsche Sportler, die Geschichte schrieben. Und natürlich muss man die ehemalige Eiskunstläuferin Katarina „Kati“ Witt in diese Reihe stellen. Und doch gibt es einen Unterschied, der sich fast durch den gesamten Fünfteiler zieht – Katarina Witt machte ihre Karriere in der damaligen DDR. Der Hinweis auf den „DDR-Originalkommentar“ ist in „Being Katarina Witt“, dem jüngsten Beitrag aus der Reihe der ARD-Sportlerfilme, unübersehbar, ebenso wenig Bilder vom „Staatsratsvorsitzenden“ Erich Honecker und von Aufmärschen der „Freien Deutschen Jugend“. Eine Lebensgeschichte, in der die deutsche Teilung und der Zusammenprall der Systeme über weite Strecken gegenwärtig wird. „Natürlich hast du auch die Werte des Landes mitvertreten“ – dieser Satz Witts zieht sich durch den Film von Jana von Rautenberg und Boris Poscharsky, der ab morgen in der ARD-Mediathek zu sehen ist.

Das (Haupt-)Setting der Produktion ist die leere Eishalle im kanadischen Calgary, dem Ort eines ihrer großen Triumphe. Dort sieht man die 59-Jährige immer noch elegant ihre Kreise drehen, während die Autoren mit vielen Originalaufnahmen chronologisch die Karriere der Ausnahmesportlerin nachzeichnen. Die ersten Gehversuche auf dem Eis, die Förderung durch ihre strenge Trainerin Jutta Müller, Wettkämpfe wie Europa- und Weltmeisterschaften – und die Olympischen Spiele 1984 in Sarajevo und 1988 in Calgary, bei denen sie jeweils Gold holte. Ihre Jahre als Profi bei großen Eisshows.

Man hört und sieht Sportlerinnen und Sportler wie Jan Hoffmann und Denise Biellmann, die Witts Erfolge rühmen, ARD-Kommentator Daniel Weiss, der ihren Ehrgeiz und ihren Siegeswillen lobt („Die wollte das, die konnte das und war total von sich überzeugt“). Auch Witt betont mehr als einmal ihre Entschlossenheit, es der Konkurrenz zu zeigen, spricht aber auch einmal vom „Auftrag“, den sie erledigt hat. Keine Distanzierung vom System, provoziert beispielsweise durch die Frage von Talkmoderator Joachim „Blacky“ Fuchsberger im Jahr 1989, ob sie nie auf die Idee gekommen sei, nach einem internationalen Wettkampf nicht nach Hause zurückzukehren. Was hätte sie auch antworten sollen?

Dabei wird der Liebling des DDR-Publikums und der DDR-Führung – auch das arbeitet die Doku heraus – von klein auf vom Stasi-Staat ganz genau beobachtet. Ihre Familie wird durchleuchtet (wie sie selbst erst nach der Wende erfährt), man sorgt dafür, dass ihr damaliger Freund seinen Dienst als Soldat an einem Standort absolviert, der zu weit ist für regelmäßige Besuche im heimatlichen Karl-Marx-Stadt. „Das war nicht so schön, das war ein großer Herzschmerz“, sagt Kati Witt, aber es klingt nicht nach großem Drama. Dafür gab es Privilegien wie ein Auto und eine eigene Wohnung. „Als Spitzensportler in der DDR war man kein Oppositioneller“, stellt die Sporthistorikerin Jutta Braun klar.

Mit und nach der Wende entzieht Deutschland – Ost wie West – dem vormals „schönsten Gesicht des Sozialismus“ jäh die Sympathie. Die Medien stellen kritische Fragen, die „Bild“ schmäht sie als „SED-Ziege“, sie mutiert „von der Vorzeigeathletin zur Buhfrau“, wie es Ex-Eiskunstläufer und Journalist Rudi Cerne auf den Punkt bringt. Erst ihre nochmalige Teilnahme an Olympischen Spielen – im Jahr 1994 im norwegischen Lillehammer – macht sie zur gesamtdeutschen Ikone. Die letzten eineinhalb Folgen widmen sich dem Leben und den Projekten Katarina Witts abseits des Eises, als Schauspielerin und als Stifterin („Gemeinsam mehr bewegen“) da wirkt dieses Porträt wie ein verfilmter Lexikonartikel – wenig reflektiert.

Katarina Witt lacht viel, wenn sie von ihrem heutigen Leben erzählt, betont, dass sie sich „nicht einengen“ und „nicht festnageln“ lasse. Ehemalige Landsleute, die nicht das Glück hatten, die Gunst der Herrschenden in der DDR genossen zu haben, werden diese Sätze womöglich mit Bitterkeit zur Kenntnis nehmen. RUDOLF OGIERMANN

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