Plädoyer für die Vielfalt

von Redaktion

Das ZDF wirbt mit der Dramaserie „House of Bellevue“ um mehr Akzeptanz

Hinein in den Schmelztiegel: Im „House of Bellevue“ kann Emm (Ricco-Jarret Boateng) eine Seite von sich ausleben, für die es in der Provinz keinen Platz gibt. © Daniel Lwowski

Raus aus der brandenburgischen Provinz, rein ins pralle Berliner Großstadtleben. Der 19-jährige Emm, schwarz und queer, träumt davon, endlich eine Heimat in der glitzernden Ballroom-Szene zu finden. Er hofft auf einen Ort, an dem er sich zeigen kann, ohne sich zu verstellen. Mit der sechsteiligen Dramaserie „House of Bellevue“ öffnet das ZDF seinem Publikum die Tür in eine unbekannte Welt. Die Ballroom-Community ist ein Schmelztiegel von Menschen unterschiedlichster Herkunft und Identität, ein Mikrokosmos der LGBTQ+-Szene. Was Sie über die schillernde Serie wissen müssen, die ab sofort in der Mediathek und ab dem 2. Dezember bei ZDF Neo zu sehen ist, lesen Sie hier.

Die Wurzeln der afroamerikanischen und lateinamerikanischen Ballroom-Bewegung reichen zurück bis ins New York der Sechzigerjahre. Schon damals veranstaltete die LGBTQ+-Szene eigene Wettbewerbe, die sogenannten Balls. Eine Tradition, die es auch heute noch in Großstädten wie Berlin gibt. Dabei konkurrieren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer tänzerisch, beim Posen und Modellaufen in kreativen Outfits gegeneinander. Die meisten von ihnen sind Mitglieder eines Hauses (amerikanisch: House), wo sie sich im familienartigen Verbund gegenseitig unterstützen und Verantwortung übernehmen.

Auch Serienhauptdarsteller Emm (Ricco-Jarret Boateng) will in der Metropole eine Seite von sich ausleben, für die es in der Provinz keinen Platz gibt. In Berlin lernt er die Choreografin Lia (Nora Henes) kennen, die nicht nur die angesagten Bälle der Stadt organisiert, sondern auch die „Mutter“ des „House of Bellevue“ ist. Schon bald muss Emm feststellen, dass hinter der glamourösen Fassade Konflikte brodeln und Zugehörigkeit ihren Preis hat.

Wer einen Blick ins „House of Bellevue“ wirft, den dürften vor allem die Bilder berauschen. Der visuelle Konzeptkünstler Oliver Hildebrandt, Head of Hair & Make-up Design der Serie, entwickelte die ästhetische Identität der Figuren. Die vielleicht bisher größte Herausforderung seiner langjährigen Arbeit. „Die Recherche war enorm umfassend“, erklärt er im Gespräch mit unserer Zeitung. „Mir war wichtig, die vielen kulturellen Ebenen der Ballroom-Community wirklich zu verstehen und respektvoll in die visuelle Sprache der Serie zu übersetzen.“ Schließlich zeigt nicht zuletzt die aktuelle Stadtbild-Debatte, wie unterschiedlich visuelle Codes gesellschaftlich gelesen werden. „Jede Figur trägt auch optisch einen aufklärenden Aspekt in sich. Meine Hoffnung ist, dass die Serie damit zu mehr Verständnis und Akzeptanz beitragen kann“, so Hildebrandt.

Mit Florence Kasumba (ehemals in einigen Folgen als „Tatort“-Kommissarin an der Seite von Maria Furtwängler zu sehen) entwickelte Hildebrandt immer neue Looks. „Als Mutter aller Häuser wollte ich bei ihr viele visuelle Ebenen zusammenführen – Farbe, Struktur, Schmuck, Textur. Die Zusammenarbeit mit ihr war unglaublich inspirierend, wir konnten gemeinsam ständig neue Ansätze ausprobieren“, erläutert er.

Auch wenn „House of Bellevue“ nicht die Lebenswelt einer breiten Masse abbildet, ist das Projekt doch bemerkenswert. „Ich glaube, dass so ein Format wichtig ist, weil Menschen ohne Berührungspunkte zur Szene erstmals sehen können, welche Werte die Community lebt und feiert“, sagt Oliver Hildebrandt. „Es geht um selbstgewählte Familien, um Akzeptanz, Respekt und Zusammenhalt, Werte, die viele Menschen aus der queeren Community im Alltag oft nicht erfahren.“ASTRID KISTNER

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