„TATORT“-KRITIK

Die tiefe Stimme verstummt

von Redaktion

Mechthild Großmann verabschiedet sich mit gelungenem Fall vom Münsteraner Team

Blickt zurück auf 20 Jahre im Münsteraner „Tatort“: Mechthild Großmann als Staatsanwältin Wilhelmine Klemm. © Dicks/WDR

Noch einmal soll sie es sagen. Nicht nur für Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) – auch für uns, die Zuschauer, die mehr als 20 Jahre lang in jedem „Tatort“ aus Münster auf den Einsatz ihrer tiefen Stimme gewartet haben. „Können Sie es noch einmal sagen, Frau Klemm?“, bittet Thiel Staatsanwältin Wilhelmine Klemm (Mechthild Großmann) in den letzten Minuten des gestrigen „Tatorts“. Und sie: „Was denn?“ Und Thiel: „Na, was Sie jetzt sonst immer sagen.“ Da blitzt es auf, dieses feine, sehr feine Lächeln in Klemms Gesicht. Nur ein Hauch, der aber zeigt, wie warmherzig diese sich so taff gebende Frau in Wahrheit ist, die immer klingt, als hätte sie gerade drei Schachteln Kippen weggezogen. Und sie sagt ihn ein letztes Mal, ihren Satz, wenn ein Fall erfolgreich gelöst worden ist: „Gute Arbeit, Thiel.“

Ach, sie wird fehlen. Doch es hilft ja nichts: Die Folge „Die Erfindung des Rades“ soll ihre letzte gewesen sein. Ein gelungener Film zum Abschied. Der mit Mechthild Großmann auch die Stadt Münster in schönsten Ansichten feiert: die Arkaden, den Hafen, den Aasee. In Radl-Geschwindigkeit, denn noch mehr Münster – die „Fahrradstadt“! – geht nicht: Der Fall dreht sich um einen Mord innerhalb einer Familie, die seit Generationen Drahtesel produziert. Ja, das erste Fahrrad vielleicht gar 1882 erfunden hat. Als Firmenchef Kurt Hobrecht sen. (Hannes Hellmann) diese Nachricht der Öffentlichkeit präsentieren möchte, kommt beim Lüften des Vorhangs, hinter dem ein Nachbau des ersten Rades stehen sollte, die Leiche seines Bruders zum Vorschein, tiefgefroren. Thiel und Rechtsmediziner Karl-Friedrich Boerne (Jan Josef Liefers) sind aus privaten Gründen mal wieder zufällig zugegen. Und nehmen die Ermittlungen auf.

Wobei in diesem gewohnt launigen Krimi das eigentlich Interessante die Beziehung zwischen Klemm und dem Senior von Familie Hobrecht ist. Er war ihre erste große Liebe – „und eigentlich auch die einzige“, wie sie Boerne bei einem Glas Champagner anvertraut. Und so ist dieser „Tatort“ nicht nur eine Reise zurück ins Jahr 1882, sondern auch in die Siebziger, in denen die heutige Frau Staatsanwältin mit besagtem Kurt den Hippie-Trail in einem VW-Bus entlangbretterte. Gemeinsam erinnern sich beide zurück – und finden ein verdientes Happy End.

Großmann hat sich von Autor Thorsten Wettcke also keinen Tod ins Drehbuch schreiben lassen, eine Rückkehr ist demnach nicht ausgeschlossen. Dem Team gegenüber jedenfalls hatte die Schauspielerin, die am 23. Dezember ihren 77. Geburtstag feiert, verraten, sich durchaus vorstellen zu können, dann und wann als Überraschungsgast zurückzukehren. Damit sie auch künftig wieder legendäre Sätze sprechen kann, mit ihrer tiefen Stimme. Wie diesen hier: „Wissen Sie, was gut zu Champagner passt? Ich!“KATJA KRAFT

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