„Er gehört zu mir“: Marianne Rosenberg. © PA
Faible für den Schlager: Heck mit Roy Black. © ZDF
Er hob die ZDF-„Hitparade“ aus der Taufe und machte sie zum Straßenfeger: „Schnellsprecher“ Dieter Thomas Heck. © Barbara Oloffs/ZDF
Für Schlagerfans war der 16. Dezember 2000 ein trauriger Tag – nach mehr als 30 Jahren flimmerte die letzte Ausgabe der „ZDF-Hitparade“ über den Bildschirm, jener Musikshow, die eine ganze Zuschauergeneration mit Hits aus heimischer Produktion beglückt hatte – von Heinos „Karamba, Karacho, ein Whisky“ bis zu Stefan Raabs „Wadde hadde dudde da?“ Vor 25 Jahren zog das ZDF nach insgesamt 368 Ausgaben den Stecker, weil das Schlagerspektakel anachronistisch wirkte.
Begonnen hatte alles am 18. Januar 1969. „Hier ist Berlin!“, so begrüßte Dieter Thomas Heck (1937 – 2018) die Zuschauer der ersten Ausgabe der Show. Skeptiker prophezeiten ihr kein langes Leben – sie schien nicht in die Zeit zu passen. Immerhin war 1969 das Jahr, in dem die Flower-Power-Generation in Woodstock feierte und John Lennon und Yoko Ono ihr Lied „Give Peace a Chance“ aufnahmen. Doch Dieter Thomas Heck glaubte an das Konzept, das auf seiner Radiosendung „Die deutsche Schlagerparade“ beruhte, und er behielt Recht.
„Wir leben in einem Land, wo man Deutsch spricht, warum soll man nicht auch Deutsch hören?“, befand der gebürtige Flensburger. Während im 1965 gestarteten „Beat Club“ von Radio Bremen hippe englischsprachige Bands wie „The Who“ auftraten, trällerte in der ersten Ausgabe der „Hitparade“ Roy Black „Ich denke an dich“, Karel Gott sang „Weißt du wohin?“ und Bata Illic schmachtete „Mit verbundenen Augen“. Die Zuschauer liebten den Schlagermix zum Mitsingen. Im Jahr 1971 bekam die Show die „Goldene Kamera“, und zu ihren Glanzzeiten schalteten samstagabends um 19.30 Uhr bis zu 25 Millionen Zuschauer pro Folge ein, der Satz „Nach dem Bade – Hitparade“ lautete die Devise.
Die Umsätze der Plattenindustrie schnellten nach jeder Ausgabe in die Höhe, Auftritte in der Sendung machten die Sängerinnen und Sänger zu umjubelten Stars. Der beliebteste Hit wurde vom Publikum anfangs per Postkarte und später telefonisch aus mehreren Songs gewählt. Es war ein offenes Geheimnis, dass die Plattenfirmen auf die Abstimmung Einfluss nehmen wollten, indem sie die Fanclubs mobilisierten. Schnellsprecher Heck wurde zu „Mister Hitparade“.
Jahrelang machten Interpreten wie Katja Ebstein, Roland Kaiser oder Peter Maffay mit ihren oft schnulzigen Liebesliedern die vorderen Plätze unter sich aus. Doch dann kam Anfang der Achtzigerjahre die Neue Deutsche Welle und änderte vieles – im Jahr 1983 stand die Band „Trio“ mit dem anzüglichen „Anna – Lass mich rein, lass mich raus“ auf Platz eins und drehte den Fans der Heile-Welt-Schlager eine lange Nase. Später verlor die Show zunehmend an Glanz, auch weil deutsche Musik nicht mehr so gefragt war. Nach 183 Ausgaben gab Heck die Moderation ab, 1985 übernahm Viktor Worms, 1990 folgte ihm Uwe Hübner. Im Jahr 2000 war dann Schluss. Wer sich auf Youtube alte Folgen der „Hitparade“ anschaut, wird nostalgisch. Hecks Mikrofon hatte noch ein langes Kabel, Costa Cordalis hatte Schweißflecken, die Show wirkt aus heutiger Sicht erfrischend unperfekt. Dabei wird oft vergessen, dass die „Hitparade“ damals topmodern war, denn sie war bunt (das Farbfernsehen gab es erst seit zwei Jahren) und wurde live gesendet – mit der TED-Abstimmung revolutionierte sie 1982 das Konzept für Zuschauerinteraktion. Welche Strahlkraft die „Hitparade“ bis heute hat, bewies die Show zum 50. Geburtstag. Fast sechs Millionen schalteten 2019 ein.CORNELIA WYSTRICHOWSKI