Hier spielte die Musik

von Redaktion

Am 1. Januar zieht MTV den Stecker – ein Rückblick auf die Geschichte des Senders

Ikonisch: Die Premiere von Michael Jacksons Musikvideo zu „Thriller“ war einer der Höhepunkte der MTV-Programmgeschichte. © Sigi Jantz, RAHMAN/afp, Jacobson, Sorbo/dpa, PA (2), MM

Das neue Jahr startet mit einem Wermutstropfen: In den frühen Morgenstunden des 1. Januar wird das letzte Musikvideo auf MTV zu sehen sein. Der Sender, der Anfang der Achtzigerjahre die größten Popstars in unsere Wohnzimmer brachte, stellt seine Musiksparte ein (wir berichteten) und konzentriert sich fortan auf Dokusoaps und Reality. Das Ende einer Ära, die die Jugendkultur mehrerer Generationen prägte.

„Like a Virgin“, singt Madonna und hopst mit Dauerwelle und bauchfreiem Top durch die Gassen von Venedig. Sie räkelt sich auf Gondeln, trägt weiße Spitze und Unmengen von Ketten übereinander. Und sie setzt Trends, denn ihr selbstbewusster Look dringt dank MTV bis in die deutsche Provinz durch, wo Teenager vor dem Fernseher gierig jeden neuen Clip inhalieren, um ihre Pop-Idole zumindest optisch zu kopieren. „Video killed the Radio Star“, war bezeichnenderweise das erste Musikvideo, das bei MTV im Jahr 1981 lief. Mehr als 40 Jahre später machen nun Streamingdienste und Social Media dem Musiksender den Garaus.

Alles, was MTV zu einem kulturell „revolutionären“ Sender gemacht habe, existiere nicht mehr, sagt die Medienwissenschaftlerin Kirsty Fairclough von der Universität Manchester. Digitale Plattformen wie Youtube, Spotify und Tiktok „haben die Art und Weise, wie wir mit Musik und Bildern umgehen, völlig verändert“. Das Publikum von heute erwarte „Unmittelbarkeit“ und „Interaktivität“, was Videos im Fernsehen nicht bieten könnten, erklärt die Expertin für Popkultur. Im Gegensatz zu Social Media, wo man klickt und wischt, war MTV kein Wunschkonzert.

Der Sender war erfolgreich, als das Internet noch in den Kinderschuhen steckte. Frech, experimentierfreudig und respektlos. Wer bei MTV moderierte, durfte sich austoben. Der deutschsprachige Ableger ging 1997 an den Start und machte Moderatoren wie Kristiane Backer, Ray Cokes, Markus Kavka, Christian Ulmen und Nora Tschirner einem Millionenpublikum bekannt. Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf legten mit „MTV Home“ den Grundstein für ihre Karriere. Eine Spielwiese für alle, die kreativ sein wollten.

Ganz Schluss ist (noch) nicht, einige MTV-Musikkanäle werden in den Vereinigten Staaten weiterhin ausgestrahlt, in Deutschland soll Medienberichten zufolge MTV HD weiter verfügbar bleiben, allerdings mit einem Schwerpunkt auf Unterhaltung.

Momente wie die Premiere von Michael Jacksons Musikvideo „Thriller“ oder Madonnas skandalträchtiger Auftritt samt heißem Kuss mit Britney Spears bei den MTV Video Music Awards prägten die kulturelle Debatte. Das meist gespielte Video in all den Jahren war übrigens Nirvanas „Smells like Teen Spirit“. Heute läuft sein Banger auf Ü-30-Partys, der Spirit der Teens wird mittlerweile von Social Media bestimmt. Das Ende einer Ära. AKI/LÖ/DPA

Artikel 2 von 2