Abgang nach gelöstem Fall: Miroslav Nemec (li.) und Udo Wachtveitl alias Ivo Batic und Franz Leitmayr ermittelten am Münchner Residenztheater. © Wehner/BR
Gestorben wird hier regelmäßig – je nachdem, was gerade auf dem Spielplan steht, versteht sich. Handelt es sich hier doch um ein Theater. Doch an diesem Abend bleibt eine Schauspielerin tot auf der Bühne liegen, während einer Vorstellung von Anton Tschechows „Die Möwe“. Großes Entsetzen im Ensemble und im Publikum, Vorhang – und ein Fall für die Münchner „Tatort“-Ermittler Franz Leitmayr, Ivo Batic und Kalli Hammermann (Udo Wachtveitl, Miroslav Nemec und Ferdinand Hofer). Es war Mord!
Intendanten, nicht nur an der Isar, werden hoffen, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer das nicht für die Realität halten, was sich hinter den Kulissen des explizit auch so genannten Residenztheaters abspielt – hier ist keiner dem anderen grün, hier gähnen Abgründe von Neid und Eifersucht allen Beteuerungen zum Trotz, man sei doch eine große Familie.
Norbert Baumgarten und Holger Joos haben für „Das Verlangen“, so der Titel dieses Krimis, ein Kammerspiel erdacht, das den Kosmos Theater wunderbar ausleuchtet – buchstäblich bis in den letzten Winkel. Angefangen bei der Einheit von Raum, Zeit und Handlung – hier gibt‘s keine Autofahrten zu anderen Schauplätzen, keine Szenen im Präsidium und keine Besuche in der Pathologie, hier muss nicht gefragt werden: „Wo waren Sie gestern zwischen 20 und 23 Uhr?“ Alle Tatverdächtigen sind anwesend, am nächsten Abend soll ja unbedingt der „Lappen“ wieder hochgehen.
Die Autoren nehmen – nicht nur für die Personnage – deutliche Anleihen bei Agatha Christie, konstruieren ein komplexes Detektivspiel, bei dem es auf jedes Detail respektive Requisit ankommt. Es ist nur konsequent, dass in diesem Stück auch einige (Ex-)Ensemblemitglieder des Bayerischen Staatsschauspiels mit von der Partie sind – Liliane Amuat, Vassilissa Reznikoff, Lukas Rüppel, Thiemo Strutzenberger. Regisseur Andreas Kleinert lässt sie sowie die anderen Darsteller stets leicht überagieren, operiert augenzwinkernd mit allerlei Klischees über die Bühnenkunst. „Ich spür‘s nicht!“, bescheinigt der Regisseur einem Darsteller bei der Probe.
Die drei von der Münchner Mordkommission fügen sich perfekt ein in diese Inszenierung, vor allem Udo Wachtveitl und Miroslav Nemec zeigen, dass sie hier gut mitspielen können – und zelebrieren doch den ihnen eigenen, sanften Spott über das Milieu, in dem sie diesmal ermitteln. Dass das Motiv für einen Mord (und einen vorausgegangenen Suizid) ein wenig diffus bleibt – sei‘s drum! Dafür gibt‘s am Ende schöne Sätze und schöne Bilder, die unüberhör- und unübersehbar auf den baldigen Abgang der beiden „Tatort“-Stars verweisen. Applaus!RUDOLF OGIERMANN