Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen

von Redaktion

Kraftort mit der Weihnachtsbotschaft

Von Weitem grüßen auf der Autobahnfahrt von Bamberg Richtung Lichtenfels im Obermaintal von den Anhöhen Kloster Banz und die Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen. Beide sakralen Bauwerke sind herausragende Zeugnisse des Spätbarocks in Oberfranken.

Namhafte Architekten verwirklichten zu Ende des 18. Jahrhunderts dort Meisterwerke von Weltrang: In Banz der berühmte Johann Dientzenhofer und in Vierzehnheiligen der geniale Balthasar Neumann, der Großprojekte wie die Würzburger Residenz oder die Klosterkirche Neresheim schuf. Ohne Zweifel gelang dem Architekten Balthasar Neumann mit dem schlichten, jedoch imposanten Baukörper ein klassischer Wurf mit Langhaus, Querhaus und überkuppelter Vierung. Zwei Doppeltürme beherrschen weithin sichtbar am Ende des Langschiffes das Obermaintal in der signifikanten ockergelben Farbgebung. Umso überraschter ist der im Querhaus eintretende Besucher vom tadellosen Weiß und der Helligkeit des Innenraumes im festlichen Stil des Rokoko, gestaltet in Wessobrunner Stukkatur- und Frescoarbeit. Ins Auge sticht dabei dem Betrachter der mit einem Baldachin aus Voluten und Rocaillen gekrönte Gnadenaltar von Johann Michael Feichtmayr, dessen in Lindenholz gefertigte und in makellosem Weiß gehaltene Rokokofiguren der 14 Nothelfer den Gnadenaltar in der Mitte der Rotunde des Kirchenschiffes geradezu bevölkern. Die 14 Märtyrer des frühen Christentums wurden bereits seit dem Mittelalter als Heiligengruppe ähnlich wie die zwölf Apostel als „Fürbitter“ in Not, Krankheit und Leid angefleht und verehrt – bei Pestgefahr genauso wie bei einer Heuschreckenplage. Unterstützt wurde Feichtmayr von Bildhauern aus der Werkstatt von Johann Georg Übelher, ebenfalls aus Wessobrunn stammend. Übelher sollte ursprünglich den Gesamtauftrag übernehmen, verstarb jedoch unerwartet 1763 gleich zu Anfang der Ausstattungsarbeiten.

Kirchenbau im Zeichen des Marienkultes

Während der Gnadenaltar inmitten des ovalen Kirchenraumes das Kernthema für die Wallfahrer ausmacht, steht der Kirchenbau doch auch im Zeichen des Marienkultes: Maria als Patronin der Wallfahrtskirche, die auch die Patronin des 1803 säkularisierten Mutterklosters der Zisterzienserabtei Langheim war. Die Himmelfahrt Mariens ist auch das Motto des die Apsis beherrschenden Hochaltars mit dem Altarbild, ursprünglich von dem Italiener Appiani gemalt, bei einem Märzgewitter 1835 durch Feuchtigkeit stark beschädigt, 1869 verlorengegangen und 1871 von dem Münchner Historienmaler Augustus Palme wieder ersetzt. Von J. M. Feichtmayr stammen auch die Altarfiguren, der Tabernakel hingegen von dem Allgäuer Joseph Weingartner. Hervorhebenswert sind die beiden eher bescheidenen Seitenaltäre in der Vierung: Sie schmücken Altarbilder von Paul Plontke, die erst 1951 gemalt wurden und Franz von Assisi und Antonius von Padua darstellen, beide Franziskanerheilige. Denn 1839 hatte König Ludwig I. von Bayern die seit 1803 verbotene Wallfahrt wieder erlaubt und den Franziskanern übergeben, die sie heute noch betreuen.

Ein Juwel

bayerischen Rokokos

Besonders prachtvoll ist auch die Rokokokanzel gestaltet. Wunderbare künstlerische Reliefe mit den vier Evangelisten und ihren Symbolen schmücken den Kanzelcorpus. Der Schalldeckel bildet einen goldenen Strahlenkranz mit einer Kugel, vor der eine Taube als Symbol des Geistes und der Weisheit des Schöpfers schwebt. Über dem Strahlenkranz schließlich erhebt sich ein Engel mit einer Fahne in der Hand mit den Worten: „Höre mein Volk mein Gesetz“ – eine Anspielung auf die Zehn Gebote, verkündet von Moses dem Volk Israel am Fuße des Berges Sinai. Bei der Betrachtung der Kanzel schweift der Blick unwillkürlich nach oben zum Deckengemälde mit seinem theologischen Programm: Das Motiv der Dreieinigkeit, darunter mit hellblauem Mantel Maria, ferner im Dunst des Wolkenhimmels die 14 Nothelfer, die den Pilgern in der Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen den Eindruck der Entrücktheit aus allen irdischen Plagen und Mühsal vermitteln sollen.

Die Weihnachtskirche Vierzehnheiligen

Die übrigen Deckengemälde im Langhaus verkünden die Vision des Klosterschäfers Hermann, der am 24. September 1445 in der Dämmerung beim Heimtrieb der Schafe ein weinendes Kleinkind auf der Wiese sitzen sah und das ihm noch zwei weitere Male erschien und immer wieder verschwand: Die Erscheinung des Kindes in der Krippe mit dem leuchtenden Kreuz auf der Brust. Das Kind als künstlerisches Schnitzwerk liegt denn auch in einer Art tieferliegenden Grotte unter dem Gnadenaltar in der Mitte der Basilika, Symbol der Weihnachtsbotschaft und Grund für die nach 1446 entstehende Wallfahrt. Somit erhebt das Kind in der Grotte unter dem Nothelferaltar das Rokokojuwel in den Rang einer Weihnachtskirche: Ein Baukörper des berühmten Balthasar Neumann mit der Innenausstattung oberbayerischer Künstlerwerkstätten aus Wessobrunn inmitten des oberfränkischen Maintales, ein Kleinod von seltener Schönheit und Anmut.

Dr. Dr. Dietmar Görgmaier

Artikel 2 von 11