Die Tage der Fichte sind zunehmend gezählt

von Redaktion

„Die Klimaveränderungen sind in vollem Gange. Die wärmsten Jahre seit Beginn der meteorologischen Messungen 1761 lagen in den letzten sieben Jahren. Und die ersten Auswirkungen auf den Wald spüren wir bereits.“ Manfred Maier, Leiter der Abteilung Forst am Landwirtschaftsamt in Rosenheim, ist alarmiert.

Sogar der Bergwald und die Almgebiete haben zunehmend mit Wassermangel zu kämpfen. „Sie sind sehr sensible Bereiche und haben gleichzeitig wichtige Funktionen“, sagt Maier.

Der Bergwald schützt in hohem Maße vor Lawinen, Murenabgängen und Erosionen und stabilisiert die Hänge. Darüber hinaus bietet er zahlreichen Pflanzen und Tieren Lebensraum; er speichert und filtert Wasser. Maier: „Doch der Bergwald ist durch die Folgen der Klimaveränderung teilweise in Mitleidenschaft gezogen. Allerdings setzen ihm Trockenheit, Hitze und Schädlinge bei Weitem nicht so stark zu wie dem Wald an trockenanfälligen niedriger gelegenen Standorten im Landkreis. Die Fichte – der vorherrschende Baum – ist dort inzwischen immer öfter gefährdet.“

Deutlich zeigen sich ernste Probleme auch auf den Almen. Musste früher höchstens bei besonderer Trockenheit, etwa im August, Wasser für die Tiere vom Tal hochgebracht werden, so setzt der Wassermangel jetzt schon viel früher ein. „Die Klagen von Almbauern nehmen zu. In diesem Sommer gab es schon im Juni kein Wasser mehr für das Vieh. Das fehlt also schon mitten im Sommer“, gibt Wolfgang Hampel, Leiter des Landwirtschaftsamtes Rosenheim, zu bedenken.

Das Problem: Insbesondere der Fichten-Wald hat der Klimaerwärmung wenig entgegenzusetzen. „Weite Flächen mit Fichtenbewuchs sind bedroht“, erklärt Hampel. Mit einer breit angelegten Waldumbau-Offensive des Staatsministeriums für Forsten versuchen Fachleute seit einigen Jahren, durch Einzelmaßnahmen und Projektgebiete – zusammen mit Waldbesitzern, Förstern, Jägern, Kommunen und Naturschützern – den Wald fit für die nächsten 100 Jahre zu machen.

Im Rahmen von Forschungsprojekten wird getestet, welche Baumsorten sich statt Fichte besser eignen könnten. „Wir sehen aktuell Tanne und Lärche vorne“, erklärt der Amtsleiter.

Gleichzeitig werde durch Forschungsinstitute auch die Gefahr durch Schädlingsbefall wie Borkenkäfer und das Risiko von Sturmschäden untersucht. „Allerdings wissen wir erst in Jahrzehnten, ob wir mit unseren Einschätzungen richtig lagen“, so Manfred Maier. Wald sei eben immer ein Generationenprojekt, anders als in der Landwirtschaft. Dort seien die Erfolge schnell zu sehen.

Dramatischer als in der Rosenheimer Region wird von Manfred Maier die Situation des Waldbestandes in anderen Regionen Bayerns eingeschätzt. „Besonders Niederbayern ist zunehmend stark betroffen“, so der Diplom Forstingenieur. Und auch hier ist es wieder die Fichte, der „Brotbaum“ der Waldbesitzer, deren Tage wohl gezählt sind. Die Schäden belaufen sich laut Bayerischer Forstverwaltung in den letzten 20 Jahren auf mehrere Hundert Millionen Euro für die Waldbesitzer.

In Versuchspflanzungen arbeitet man sehr intensiv an Lösungen. Douglasie, Roteiche, Bergahorn, Tanne, Buche: Sie scheinen mit den Auswirkungen des Klimawandels besser zurechtzukommen. „Unser Ziel muss sein, klimatolerante Mischwälder anzulegen“, sagt Maier.

Doch da gebe es noch ein hausgemachtes Problem: die überaus zahlreichen kleinen „urbanen Waldbesitzer“. Im Raum Rosenheim ist der Wald zu rund 78 Prozent in privater Hand. Landwirte und große Waldbesitzer gingen auf die Empfehlungen der Forstämter ein. „Sie haben Erfahrung in der Waldwirtschaft“, so Maier. Komplizierter sei es bei Hobby-Waldbesitzern mit geringen Waldflächen. Sie verstehen meist wenig von der Materie. „Für sie ist ihr Waldstück oft eine reine Immobilienanlage. Sie sollten die Waldpflege den Profis übergeben“, rät er. Nur so können in Zukunft die drei Funktionen des Waldes aufrecht erhalten werden: Nutzen, Schutz, Erholung.ske

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