Dr. Reiner Braun vom empirica-Institut erklärt, wie der Immobilienmarkt funktioniert und warum (noch) keine Preisblase zu befürchten ist.
Kapitalanlagen lohnen sich, wenn die zu erwartende Rendite hoch, das einhergehende Risiko gering und der innere Schweinehund im Zaum gehalten werden kann. Inwieweit diese Bedingungen besonders bei Immobilien erfüllt sind, hängt immer auch vom Zeithorizont ab.
Gegen den inneren Schweinehund
Die Möglichkeiten, angespartes Geld zu verwenden, sind vielfältig: Urlaub, Auto, Einrichtung, Schmuck, Luxus aller Art.
Aber: Immobilien sind nicht liquide. Man immunisiert sich deswegen gleichsam gegen die Versuchungen eines ausufernden Konsumlebens und versichert sich so gegen die eigene Sprunghaftigkeit und die Neigung zu Spontanentscheidungen. Reine Renditevergleiche vernachlässigen diese Bedeutung langfristiger, kontinuierlicher Sparprozesse und die Bedeutungen von Weichenstellungen, durch die Verhalten geprägt oder sogar erzwungen wird.
Insbesondere der Erwerb von selbst genutztem Wohneigentum bedeutet den freiwilligen Einstieg in Zwangssparprozesse, die im Ergebnis die eigene Ungeduld oder sogar Unvernunft und Launenhaftigkeit bremsen. In diesem Sinne sind Immobilien – wie auch immer sie in Renditevergleichen wegkommen – wahrscheinlich höchst rational und lohnend, zumindest für „eingeschränkt Rationale“.
Das schiere Sparvolumen infolge der Kredittilgung sowie die geringe Austauschbarkeit einer Immobilie verbessern die Altersvorsorge – auch wenn die rein finanzmathematische Rendite im Einzelfall nur klein sein mag.
Renditen sind niedrig – aber zurecht
Die Zähmung des inneren Schweinehundes durch Immobilienanlagen gilt generell. Höhe und Risiko der Renditen schwanken jedoch im Zeitablauf. Ob Selbstnutzer oder Vermieter, die Rendite ergibt sich aus der Höhe der (ersparten) Miete – in Relation zum Kaufpreis. In der Konkurrenz um das knappe Angebot und angesichts mangelnder Anlagealternativen im Niedrigzinsumfeld haben jedoch potenzielle Käufer zuletzt die Preise nach oben getrieben.
Keine klassische Preisblase
Eine klassische Preisblase kann dennoch nicht attestiert werden: Es gibt kein Überangebot, denn im Bestand will keiner verkaufen und Neubau ist wegen Bauland mangel nur noch erschwert möglich. Und das Kreditvolumen ist gemessen am BIP nicht aufgebläht. Die Renditen sind niedrig, aber durch die Minizinsen gerechtfertigt. Außerdem versprechen alternative Anlagen noch weniger. Die hohen Preise sind also gerechtfertigt, der Markt im Gleichgewicht. Die Frage aber ist: Wie stabil ist dieses Gleichgewicht?
Die Zinsen werden steigen – aber wann?
Im Juli ist es warm, eine Heizung ist also nicht erforderlich. Dennoch werden auch im Sommer bezugsreife Wohnungen mit Heizkörpern ausgestattet. Denn jeder weiß, im Winter wird es wieder kalt. Dasselbe gilt für die Zinsen: Jeder weiß, dass sie wieder steigen. Unsicher ist nur wann, wie schnell und wie hoch.
Steigende Zinsen – sinkende Preise
Der Kaufpreis ist nichts anderes als die abgezinste Summe der künftig erzielbaren Mieten. Bei Zinsen nahe null steigt dieser Barwert ins Unermessliche und rechtfertigt hohe Preise. Und genau hier, im Rückschlagspotenzial, liegt das Risiko: Bei einer Zinswende werden die Kaufpreise sinken, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.
Im Alltag kommen dann stets noch Überlagerungen hinzu. In der jüngeren Vergangenheit wurde der zinsbedingte Preisanstieg überlagert durch eine Zusatznachfrage infolge der Landflucht in die Städte. Dieser Nachfrageschock hat die Mieten gepuscht und dadurch zusätzlich die Kaufpreise getrieben.
Überlagernde Effekte
Genauso lauern auch künftig überlagernde Effekte. Sofern die Landflucht weitergeht und Flüchtlinge nicht zurückkehren, mildert dies den kommenden Sinkflug der Kaufpreise. Das ist am ehesten in „echten“ Schwarmstädten der Fall, die überregional aus einer Vielzahl an Regionen und nicht nur aus einigen wenigen Umlandkreisen Zuwanderer gewinnen. Dagegen kann eine aufkommende Neubauwelle den Sinkflug noch zusätzlich befördern. Das gilt erst recht, wenn die falschen Objekte am falschen Ort gebaut werden.
Flexibel sein und nicht auf Kante nähen
Kapitalanleger und Selbstnutzer unterscheiden sich in zweifacher Hinsicht: Die Mehrheit der Selbstnutzer hält die Immobilie über Jahrzehnte, kauft meist ein „Zuhause“. Kapitalanleger dagegen sind eher auf schnelle Wertsteigerungen und kürzere Haltefristen aus. Auf der anderen Seite sind sie flexibler in der Standortwahl. Klar ist: Wer Immobilien länger hält, kann Schwankungen leichter aussitzen. Wer dagegen seine Anlagemöglichkeiten auf eine Region fixiert, erhöht das demografische Preisrisiko.
Es gibt also keine allgemeingültige, sondern nur eine tautologische Antwort: Eine Immobilie als Kapitalanlage lohnt immer dann (noch), wenn das richtige Objekt am richtigen Ort gekauft und die Haltedauer lang oder zumindest flexibel ist.
Doch für junge Familien zählt nicht allein die Rendite. Wer mit dem „Zwangssparprozess“ den inneren Schweinehund zügeln will, ein familienfreundliches Zuhause schätzt und die Finanzierung nicht „auf Kante“ näht, der soll kaufen, bevor die Kinder der zu alt sind. Man lebt schließlich nur einmal.