Kolbermoor – Vor genau 150 Jahren, im Juli 1868 fand in Kolbermoor die Grundsteinlegung der Kirche Hl. Dreifaltigkeit statt. Schon fünf Jahre später bekam die Kirche nach ihrer Fertigstellung eine Orgel. Bei einer routinemäßigen Wartung wurde im Jahr 2012 im gesamten Inneren der Orgel großflächiger Schimmelbefall festgestellt, was für die Orgel zunächst einmal den „Todesstoß“ bedeutete. Doch nun stellten sich der Kirchenverwaltung viele Fragen: Was ist an historischem Pfeifenwerk aus der Anfangszeit noch vorhanden? Was davon ist noch brauchbar und könnte in eine erneuerte Orgel übernommen werden? Wie kann all das finanziert werden? Eine spannende Geschichte begann. Zunächst wurde die Orgel komplett abgebaut und das historische Pfeifenwerk gesichert. Da das Meiste aus der „Gründerzeit“ Kolbermoors im 19. Jahrhundert stammt, soll es erhalten und an kommende Generationen weitergegeben werden.
1873 wurde unter Expositus Stephan Rainer, Pfarrer von Aibling, die Orgel geplant („disponiert“) mit 16 Registern (= Stimmen) auf zwei Manualen und Pedal mit mechanischer Traktur (= Übertragung von den Tasten zu den Pfeifen). Erbaut wurde das Instrument von Orgelbaumeister Jakob Müller (1834-1899), der in der Rosenheimer Sedanstraße seine Werkstatt hatte. Das Gehäuse wurde gefasst und vergoldet von Josef Osendorfer aus Aibling.
Der damalige Münchner Domorganist unterzog die neue Orgel am 20. Dezember 1873 einer genauen Prüfung und schrieb in seinem Gutachten, dass die Orgel „mit dem starken runden Klang der unteren und mittleren Oktaven und der vollen Frische der führenden Labialstimmen einen Gesamtton bildet, welcher die Räume der Kirche ausfüllt und die Gemeinde zur Andacht und Freude stimmt… Überall wurde eine ziemlich gute Intonation, sehr leichte Ansprache und der den Registern eigene Klang-Charakter gefunden.“
Als im Jahr 1889 die Kirche für die stark wachsende Gemeinde zu klein geworden war und nach Westen hin erweitert wurde, wurde die Orgel ausgebaut, im Pfarrhof eingelagert, nach dem Kirchenbau wiederaufgebaut und um ein Register im Pedal, einen Violon 16´ aus Holz, vergrößert. Allerdings ergab sich durch den jetzt vergrößerten Kirchenraum aber, dass der Klang der Orgel nicht mehr als ausreichend empfunden wurde, denn im Laufe der folgenden Jahre und Jahrzehnte wurde das Thema Orgel – wie aus alten Beschlussbüchern der Kirchenverwaltung hervorgeht – immer wieder behandelt.
Auch der Erste Weltkrieg hatte Einfluss auf das Instrument, denn es mussten im Jahre 1916/17 zu Kriegszwecken (wie übrigens bei insgesamt 70 000 anderen Orgeln im Deutschen Reich auch) die Prospektpfeifen aus Zinn des Registers Prinzipal 8´ abgeliefert werden. Man erhielt dafür zwar eine finanzielle Entschädigung, die dann als Grundstock für eine spätere Ergänzung verwendet wurde, aber die Originalgestalt der Orgel war nun nicht mehr vorhanden.
In den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts kam es daraufhin zu einem Umbau und einer Erweiterung der Orgel. Doch ein gravierender Umstand wurde nun auf negative Weise bedeutsam: der Zeitgeschmack! Zu allen Zeiten, da Orgeln gebaut wurden, von der Gotik bis heute, wurden und werden diese (wie eingangs beschrieben) mit mechanischer Traktur gebaut. Nur in der Zeit von Ende des 19. bis Mitte des 20. Jahrhunderts wechselte man zur damals neu erfundenen pneumatischen Traktur, das heißt, die Verbindung von Taste zu Orgelpfeife wurde nun per Luftdruck gesteuert. Diese damals moderne und scheinbar vorteilhaftere Art des Orgelbaues ist wegen ihrer hohen Reparaturanfälligkeit, Ungenauigkeit und zu geringer Lebensdauer inzwischen aus dem Orgelbau wieder vollständig verschwunden.
Nun war sicher die Mechanik der Orgel nach 55 Jahren renovierungs- und regulierungsbedürftig, auch war durch den Kirchenanbau die Orgel wohl etwas zu schmächtig für den größeren Raum geworden, aber das Hauptanliegen war – wie gesagt – der Wunsch nach Modernität. Allerdings kann gesagt werden, dass zwar die mechanische Traktur entfernt wurde, das Pfeifenwerk der Orgel aber insgesamt fast unangetastet erhalten blieb. Es kamen sieben neue Register hinzu, sodass die Orgel nun 24 Register auf Hauptwerk, Schwellwerk und Pedal aufwies. Das bestehende Orgelgehäuse wurde stilvoll von drei auf fünf Pfeifen-Felder erweitert (was übrigens der Schreinermeister und damalige Kirchenpfleger Michael Tischner ausgeführt hat).
36 Jahre später wurde – am 10. August 1965 – mit Josef Zeilhuber aus Bruckmühl ein Vertrag über die Errichtung einer Chororgel mit acht Registern und den Umbau der Hauptorgel geschlossen und dieses dann unter Pfarrer Josef Moosleitner 1967 durchgeführt. Hier geschahen nun massive Eingriffe in das vorhandene Pfeifenwerk: Es wurden alte Pfeifen an andere Stellen versetzt, umgearbeitet und verschnitten. Warum noch dazu die komplette obere Hälfte des Orgelgehäuses entfernt und vernichtet wurde, ist und bleibt heute ein großes Rätsel. Wahrscheinlich war es auch hier wieder der unselige „Zeitgeschmack“. So ist es nicht verwunderlich, dass schon bald wieder Mängel an der Orgel in Heilige Dreifaltigkeit auftraten: Den schlimmen Allgemeinzustand dokumentierte Orgelbaumeister Albrecht Deininger, der eine Überholung der Orgel durchführte. Er schreibt am 15. September 1992: „Diese Orgel macht weder dem Spieler, noch der Gemeinde und schon gar nicht dem Orgelbauer Freude, der nach getaner Arbeit mit gemischten Gefühlen von diesem Instrument weggeht.“
20 Jahre nach der letzten Überholung häuften sich Schäden und Reparaturen an der Orgel, eine korrekte Stimmung war teilweise gar nicht mehr möglich, es musste schon einiges „geflickt“ werden. Dann aber kam mit dem Schimmel erst einmal das Ende. Nachdem ein toxikologisches Gutachten sehr drastisch ausfiel, reagierte die Kirchenverwaltung sofort und sperrte Orgel und Empore. 2013 wurde – um die Raumluft und Feuchtigkeit in der Kirche regulieren zu können – eine automatische Belüftungsanlage in der Kirche eingebaut.
2014 beauftragte die Pfarrei die Firma Münchner Orgelbau Johannes Führer mit der Sicherung und Restaurierung des historischen Pfeifenbestandes von 1873. 2016 konnte schließlich der Orgelbauvertrag über die Restaurierung und technische Erneuerung der Orgel sowie die Rekonstruktion des alten Orgelgehäuses unterzeichnet werden.
Wenn man an einem alten Gebäude anfängt, etwas zu renovieren, dann tun sich immer überraschende Dinge auf. So war es auch in der Kirche Heilige Dreifaltigkeit: Bei einer Überprüfung der Statik der Orgelempore stellte man fest, dass die Tragfähigkeit verbessert werden müsste. Die vorhandenen Tragbalken wurden durch sogenannte Beipässe in verschiedenen Stärken versehen. Nachdem auch die Empore der Seitenschiffe näher untersucht wurde, konnte man sehen, dass die Balkenköpfe nicht mehr in Ordnung waren, sodass auch hier die Deckenbalken zusätzlich verstärkt werden mussten. Schließlich bekam die Empore einen komplett neuen Fußboden. Ein Großteil der Arbeiten wurde in Eigenleistung von der Kirchenverwaltung durchgeführt.
Nun aber geht es in großen Schritten voran. Am 16. Dezember 2018, dem dritten Adventssonntag, wird die restaurierte, rekonstruierte und runderneuerte Orgel in einem festlichen Gottesdienst eingeweiht werden. Die Arbeiten in der Orgelbauwerkstatt sind im vollen Gange. Ein Blick in die Werkstatt des Orgelbauers in München zeigte schon jetzt, was dann bereits vor den Sommerferien deutlich sichtbar sein wird. Dann werden alle Orgelteile und Orgelpfeifen sowie der neue Spieltisch in der Kirche angeliefert werden und mühsam auf die Empore transportiert werden. Es folgen der Aufbau und die Klangintonation der etwa 1800 Orgelpfeifen, bis dann schließlich die 150 Jahre alten Pfeifen in alter Pracht erklingen können.