Sieben Freunde, 2000 Kilometer, 30000 Euro

von Redaktion

Sie hatten sich hohe Ziele gesetzt und damit viel erreicht. In zwei Aufsehen erregenden Aktionen generierten die Sportfreunde Attl über 30000 Euro für Menschen mit Behinderung in der Stiftung Attl. Dass sie nun dafür im vergangenen November von Landrat Wolfgang Berthaler mit dem Sozialpreis des Landkreises ausgezeichnet wurden, war für viele längst fällig. Und doch spiegelt dieser Preis nur einen Bruchteil dessen wider, was die Sportfreunde Attl für Menschen mit Behinderung und gelebte Inklusionsprozesse geleistet haben.

Wasserburg-Attel – Über 300 Menschen, darunter eine Blaskapelle, das ABM-Orchester der Stiftung Attl und die Sportjournalistin und Polarreisende Birgit Lutz zählte das Empfangskomitee auf dem ehemaligen Attler Klosterhof im Mai 2012, als die Sportfreunde Attl von ihrer ersten großen Tour eintrafen. Hinter ihnen lagen rund 500 Kilometer, die die sieben Sportfanatiker in zwölf Tagen zurückgelegt hatten. Mit im Gepäck eine prall gefüllte Spendenbüchse und darin über 11000 Euro, die sie mit dieser Aktion über Sponsoren und Spender generiert hatten.

Ein Gewaltmarsch über die Alpen, der sie auch an ihre physischen Grenzen geführt hatte, lag hinter ihnen. Vor allem Sportfreund Roland Schoderer bekam schon kurz nach Beginn der Tour Probleme. Eine Wasserblase an der linken Ferse hatte sich infiziert und er musste sogar im Krankenhaus versorgt werden. Die letzten Tage begleitete er dann seine Freunde auf dem Rad.

Die Idee zu dieser außergewöhnlichen Aktion hatten die sieben Freunde bereits im Jahr 2011. Jeder für sich hatte bis dahin schon Erfahrungen im Extremsport gesammelt. Sei es bei einer Besteigung des Kilimanjaros, der wiederholten Teilnahme beim 24-Stunden-Marathon oder beim Extrem-Mountain-Biking in Argentinien. Nun wollten sie gleichzeitig zur sportlichen Herausforderung auch Menschen mit Behinderung unterstützen.

Der Kontakt zur Stiftung Attl kam schließlich über die Firma Schattdecor aus Thansau zustande. Unternehmer Walter Schatt hatte bis dahin mit seiner Firma schon mehrfach die Stiftung Attl unterstützt. Da die Sportfreunde Simone Grönheit, Markus Zeidler und Stefan Schwarzenböck Mitarbeiter eben dieses Unternehmens sind, war der Entschluss, die Adria-Alpen-Attl-Tour unter das Banner der Einrichtung für Menschen mit Behinderung zu stellen gefallen und auch der Name der Gruppe, eben „Sportfreunde Attl“ geboren.

Ein halbes Jahr Vorbereitung

Ein halbes Jahr trainierten die drei zusammen mit Gabi Blüthner, Roland Schoderer, Marco Pohle und Martin Lindner für ihre Alpenüberquerung. Abhärtung und Ausdauer mussten für diese fast zweiwöchige Tour entsprechend sein. So war es auch nicht weiter verwunderlich, dass die Sportfreunde im Winter im Simssee badeten oder von Rosenheim aus zu Fuß ihre Ausflüge in die heimische Bergwelt starteten um irgendwo oberhalb der 1000 Meter im Iglu zu biwakieren.

Die Alpen überquerten die Sportfreunde schließlich zu sechst. Aus persönlichen Gründen schied Gabi Blüthner kurz vor dem Beginn aus. Für sie kam Simon Schoderer als Service-Radfahrer ins Team. Seine Aufgabe sollte es bald sein, die zu laufenden Strecken zu erkunden. Mit dem Zug ging es erst einmal von Rosenheim aus nach Venedig. „Die größte Schwierigkeit ist die täglich wiederkehrende Belastung“, meinte Markus Zeidler. Die Herausforderung liege darin, zwölf Tage am Stück zu gehen. Vor allem die Bergetappen, wie sich schon bald herausstellte, machten den Sportfreunden dabei besonders zu schaffen. In Österreich kämpften sie mit schlechtem Wetter und niedrigen Temperaturen. Übernachtet wurde meistens im Zelt.

„168h – Chiemsee boahart“

Als ob die Adria-Alpen-Attl-Tour noch nicht genug gewesen wäre, setzten die Sportfreunde Attl zwei Jahre später nochmal eins drauf. „168h Chiemsee boahart“ betitelten sie ihre Aktion. Das Motto: Sieben Läufer, sieben Tage und sieben Nächte, rund um die Uhr im Staffellauf um den Chiemsee herum. Zusammen mit Neuzugang Florian Brunhuber schlugen sie ihr Camp in Prien auf. Von dort aus ging es in Dreier-Teams abwechselnd nonstop um den See.

Mit dieser Wahnsinns-Aktion akquirierten sie bei zahlreichen Sponsoren insgesamt die stolze Summe von fast 18000 Euro, die seitdem wiederum den sportlichen Aktivitäten der Betreuten in der Stiftung Attl zugutekommt. Mittlerweile hatte man dort einen Sportfonds ins Leben gerufen und nach den Sportfreunden benannt.

Die Schirmherrschaft zur Chiemsee-boahart-Aktion übernahm der Sänger und Frontmann von LaBrassBanda, Stefan Dettl, den Startschuss die damalige Snowboard-Weltmeisterin Isabella Laböck. Insgesamt umrundeten die sieben Freunde 29-mal den Chiemsee und legten dabei fast 1500 Kilometer zurück. Eine Distanz, die es in sich hatte. Denn schon bald stellte sich heraus, dass die Strapazen wohl doch größer waren, als man das anfangs vermutet hatte.

Als größte Feinde des Benefiz-Events entpuppten sich schon bald der fast fünf Tage andauernde Dauerregen sowie der chronische Schlafmangel der Läufer. Da die Sportler mittels GPS-Tracking jederzeit lokalisierbar waren, tauchten bald immer wieder Mitläufer auf, die sie ein Stück der Strecke begleiteten. Auch Franz Hartl, Vorstand der Stiftung Attl, gesellte sich nachts für eine Umrundung des Sees auf dem Rad zu ihnen.

„Drei Stunden Schlaf, sechs Stunden radeln und laufen und dann wieder nur drei Stunden Schlaf: Das ist ganz, ganz schlimm“, beschrieb Simone Grönheit die tägliche Situation der Läufer. „Es regnet und wir frieren, aber es gibt so viele Menschen, die uns anfeuern oder sogar mitlaufen. Das entschädigt für die ganzen Strapazen.“

Sportfreund Markus Zeidler erlitt zwei Tage vor dem Ende des Ultra-Staffellaufs einen Ermüdungsbruch im Fuß, konnte den Lauf aber Dank der guten Behandlung des betreuenden Physiotherapeuten fortsetzen.

„Irgendwie schafft man es dann doch wieder, sich zu motivieren“, beschrieb Stefan Schwarzenböck den inneren Kampf gegen sich selbst. „Man hält sich dann vor Augen, für was man diese Anstrengungen überhaupt auf sich nimmt.“

Bis heute aktiv für

die Stiftung Attl

Auch wenn die letzte große Aktion der Sportfreunde nun schon über drei Jahre zurückliegt, so ist ihr soziales Engagement für Menschen mit Behinderung noch nicht am Ende angelangt. Nach wie vor unterstützen sie die Stiftung Attl und ihre Betreuten mit und bei den sportlichen Aktionen der Einrichtung. Beim Attler Lauf sind sie jedes Mal dabei. Sei es als Schirmherren, aktive Läufer oder als Motivatoren und Unterstützer der teilnehmenden Menschen mit Behinderung. Die Tour de Rolli, eine jährlich stattfindende inklusive Rad-Tour, ist für sie jedes Jahr ein fester Termin in ihrem sportlichen Kalender.

Mit dem in der Einrichtung ins Leben gerufenen Sportfonds haben sie nachhaltig dafür gesorgt, dass die sportlichen Aktivitäten der dort lebenden Menschen mit Handicap unterstützt und gefördert werden können. Dazu zählen nicht nur die Mittel für die Judo-Sportler, die Fußballer oder die Attler Showtanzgruppe. Seit mehreren Jahren wird damit auch das therapeutische Klettern finanziert, von dem vor allem Kinder und Jugendliche mit Behinderung profitieren. All diese Maßnahmen wären ohne die Sportfreunde Attl nicht möglich. Noch immer tragen ihre Aktionen Früchte. So überreichten beispielsweise Wolfgang und Monika Sattelberger von der Dorfbäckerei in Rohrdorf erneut eine Spende in Höhe von 500 Euro. Seit vielen Jahren unterstützen sie die Sportfreunde und somit die Menschen in Attl.

„Die Sportfreunde leisten wichtige Beiträge zu einer gelingenden Inklusion“, sagte Stiftungsvorstand Franz Hartl in seiner Laudatio bei der Sozialpreisverleihung. Er betonte vor allem, dass sich ihr Engagement nicht nur aufs finanzielle beschränke, sondern sich auch immer wieder in ihrer großen Solidarität mit der Einrichtung und ihren Menschen zeige.

„Die Verleihung des Sozialpreises war etwas ganz besonderes“, sagte Simone Grönheit, die sich als erste aus der Gruppe für die Auszeichnung bedankte. Die Sportfreunde Attl stellte sie als „einen Haufen sportbegeisterter Freunde“ vor, „die noch dazu etwas Gutes tun können“. Grönheit sowie Martin Lindner, Stefan Schwarzenböck, Roland Schoderer, Markus Zeidler und Florian Brunhuber bedankten sich bei den Menschen, die sie in den vergangenen Jahren in besonderem Maße begleitet und unterstützt hatten.

Ob es jemals noch so eine spektakuläre Aktion wie in den Jahren 2012 und 2014 geben wird, ist aber mehr als ungewiss. Im Laufe der letzten Jahre sind die sieben nicht nur älter geworden, sondern haben auch unterschiedliche Wege eingeschlagen. So ist Sportfreund Roland mittlerweile stolzer zweifacher Vater, Markus und Simone sogar schon Großeltern. Was bleibt ist eine große Verbundenheit mit der Stiftung Attl, in deren Geschichte sie sich beispielhaft eingereiht haben.

„Ich will nicht glauben, dass das jetzt alles vorbei ist. Das kann es nicht sein“, meinte Simone Grönheit am Rande der Preisverleihung. Daran denkt auch in der Stiftung Attl niemand. Es muss ja auch nicht immer spektakulär und aufsehenerregend sein. Denn, so hofft man in der Einrichtung, die Freundschaft und der Kontakt der Sportfreunde zu den Menschen mit Handicap wird sicherlich bestehen bleiben. So wird man sicherlich noch viele gemeinsame sportliche Feste gemeinsam feiern und auch der Sportfonds, den die Sportfreunde Attl ins Leben gerufen haben, wird noch lange die Betreuten der Einrichtung unterstützen.

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