Wie planbar ist ein Jahr? Viele von Ihnen werden mir zustimmen, wenn ich sage „bestenfalls bedingt“. Es sind vor allem die Ereignisse, die sich nicht ankündigen, die vieles verändern und geplantes über den Haufen werfen. In meinem Fall war es der Sturz von Landrat Wolfgang Berthaler in seinem Büro.
Seit knapp einem halben Jahr übernehme ich nun seine Aufgaben. Es ist eine sehr interessante Zeit. Ich kann mitgestalten und das ist für einen politisch interessierten Menschen wie mich sehr wichtig. Die Atmosphäre im Landratsamt und der Teamgeist dort sind etwas Besonderes. Das lässt einem die Doppelbelastung – Bürgermeister zu sein und den Landrat zu vertreten – besser aushalten. Und trotzdem würde ich auf die positiven Erfahrungen gerne verzichten, wenn dadurch dem Landrat sein Unfall erspart geblieben wäre. Erfreulich ist, er wird wiederkommen. Er arbeitet in der Reha täglich daran, und Sie werden ihn 2019 wieder erleben!
Der Schwerpunkt der Investitionen des Landkreises im zu Ende gehenden Jahr lag wie immer in den Schulen. An der Inntalschule in Brannenburg entsteht ein zweigeschossiger Neubau. Dem Sonderpädagogischen Förderzentrum fehlen unter anderem Fachräume und Räume für die Ganztagsbetreuung.
Am Gymnasium in Prien ist das Haus 1 abgerissen worden. An dessen Stelle entsteht ein Neubau mit identischen Abmessungen. Darin werden unter anderem vier Klassenräume, drei Fachräume Informationstechnologie sowie ein Pausenraum eingerichtet.
Ein Gebäude der Landwirtschaftsschule in Rosenheim konnte nach einer Generalsanierung im Oktober wieder eingeweiht werden. Nach einem Wasserschaden war eine komplette Entkernung notwendig. Der Grundriss wurde an die heutigen Bedürfnisse angepasst, sämtliche Installationen erneuert und das Gebäude barrierefrei erschlossen.
In Wasserburg begannen die Erweiterung und Sanierung des Staatlichen Beruflichen Schulzentrums. Die Baumaßnahme wird sich über vier Jahre hinziehen und rund 30 Millionen Euro kosten.
Sie sollten aber auch wissen, dass der Landkreis nicht nur in Steine investiert. Seit Beginn des Schuljahres wird an allen fünf Realschul-Standorten Jugendhilfe angeboten. Der Rosenheimer Kreistag hat hierfür eine Halbtagsstelle pro Standort gebilligt. An den Grundschulen in Halfing und Großkarolinenfeld können die heilpädagogischen Angebote dauerhaft fortgeführt werden. Sie waren zunächst auf zwei Jahre zeitlich befristet.
Aber auch außerhalb der Schulen hat sich in Sachen Betreuung von Kindern und Jugendlichen viel getan. So haben sich 28 Kindertageseinrichtungen an einem Modellversuch zur pädagogischen Qualitätsbegleitung beteiligt. Dabei wird versucht, den Alltag aus Sicht der Kinder zu sehen mit dem Ziel, ihnen mehr Beteiligungsmöglichkeiten zu geben.
Nicht von allen, aber immerhin von einigen Kindern und Jugendlichen werden die Hausaufgaben als lästig angesehen. Warum also nicht die Situation durch ein optimales Hausaufgabenumfeld erleichtern. Zwölf Horte und Kindertageseinrichtungen in Stadt und Landkreis wollten es wissen und beteiligten sich an einem wissenschaftlich begleiteten Hausaufgabenprojekt. Die Lösungen in den Einrichtungen sind ganz unterschiedlich. Beispielsweise können Kinder die Hausaufgaben unter dem Tisch machen, wenn sie mögen. Die Erfahrung zeigt, dass sie nach wenigen Tagen wieder am Tisch sitzen, weil es darunter einfach zu unbequem ist.
Mehrere hundert Jugendliche haben 2018 wieder bei den Jugendbeteiligungskonferenzen mitgemacht. Diese Erfindung der Kommunalen Jugendarbeit im Landkreis Rosenheim, die bundesweit Beachtung findet, ist zu einem richtigen Magneten geworden.
Da geht der Landrat hin, aber nicht nur der. Sehr viele Bürgermeister oder stellvertretende Bürgermeister nehmen sich Zeit. Viele Jugendbeauftragte sind da und auch die Zahl der vorbeischauenden Schulleiter nimmt von Jahr zu Jahr zu. Offen wird über die Sorgen und Wünsche der jungen Leute gesprochen, und wenn sie sich selbst engagieren – das ist eine Grundvoraussetzung – besteht eine gute Wahrscheinlichkeit, dass ihre Anregungen umgesetzt werden.
Schon seit einigen Jahren setzt sich die Untere Naturschutzbehörde im Landratsamt Rosenheim vor allem in den nördlichen Gemeinden des Landkreises für den Kiebitz ein. Diese sehr erfolgreichen Maßnahmen werden ab 1. Januar in ein „BayernNetzNatur“-Projekt eingebracht, an dem auch die Landkreise Traunstein und Altötting beteiligt sind. Ziel ist es, mittelfristig stabile Kiebitz-Bestände aufzubauen und dadurch die Biodiversität, also die biologische Vielfalt in der Agrarlandschaft zu erhalten beziehungsweise zu verbessern.
Die Verbesserung des Lebensraumes ist auch das Ziel des „BayernNetzNatur“-Projektes Bachmuschel in der Murn. Wir sind guter Hoffnung, dass aus den rund 1000 Individuen, die es derzeit dort gibt, noch mehr werden. Vom immer optimaleren Lebensraum der Bachmuscheln profitieren im Übrigen auch alle anderen Tier- und Pflanzenarten.
Hinweisen möchte ich noch auf zwei weitere Biodiversitätsprojekte. Im Irschener Winkel, er ist ein Teil des Chiemsees, will man die angrenzenden blumenreichen Streuwiesen als Lebensraum vor allem für viele Vögel erhalten. Und in dem zweiten Projekt geht es um den Erhalt, die Bestimmung und die Beschreibung von alten beziehungsweise unbekannten Obstsorten. Im Rahmen einer 2015 begonnenen Erfassung alter Obstbäume wurden rund 200 unbekannte Sorten entdeckt.
Die Pflege der Kreisstraßen ist dem Landkreis jeher ein wichtiges Anliegen. Beispielhaft möchte ich für 2018 die neuen Brücken über die Mangfall und den Mangfallkanal in Bruckmühl sowie die Ortsumfahrung von Albaching erwähnen.
Wie Sie vielleicht wissen, wird derzeit der Nahverkehrsplan für die Stadt und den Landkreis Rosenheim fortgeschrieben. Die beauftragten Verkehrsplaner stellten in einer ersten Bestandaufnahme fest, dass für eine Grundversorgung über alle Linien jährlich 450000 Kilometer fehlen. Ich bin gespannt, denn Öffentlicher Personennahverkehr kostet viel Geld. Hier wird der Rosenheimer Kreistag, wenn alle Fakten ermittelt sind, noch intensiv diskutieren müssen.
Zu den angenehmen Terminen des Landrats gehören die Verleihung der Sozial- und Kulturpreise. Bei Letzterem zeigte sich wieder einmal die ungeheure kulturelle Vielfalt unserer Region. Und die Sozialpreisverleihung war außerordentlich beeindruckend für mich. Wir lernten mit Dirk und Sigrid Scholz ein Ehepaar kennen, das ihre Tochter im Alter von acht Jahren verlor, in ein tiefes Loch fiel, viele Jahre trauerte und sich dann entschloss, die eigenen Erfahrungen mit anderen betroffenen Müttern und Vätern in der Selbsthilfegruppe „Verwaiste Eltern Rosenheim“ zu teilen.
Meine eingangs gestellte Frage „wie planbar ist ein Jahr?“ ist in diesem Fall die völlig verkehrte. Die richtige Frage lautet: „Wie planbar ist ein Leben?“ Wenn Sie überlegen, wie oft Sie in Ihrem Leben schon an einer Weggabelung standen und überlegen mussten, links oder rechts zu gehen, dann werden Sie sagen, ein Leben ist nicht planbar, man kann sich bestenfalls etwas vornehmen.
Jetzt liegt ein neues Jahr vor uns. Allen Unabwägbarkeiten zum Trotz wünsche ich Ihnen ein gelungenes, friedliches und glückliches Jahr 2019.
Josef Huber
Stellvertretender Landrat