Von Kurfürsten geliebt und verhätschelt, von Napoleon Bonaparte besetzt und geplündert, von den Nazis benutzt, von den Alliierten geviertelt und von der Mauer in zwei Teile gerissen: Kaum eine Stadt atmet so viel Geschichte wie Berlin. Es war und ist Schauplatz wichtiger, oft schicksalsträchtiger Entscheidungen, Geburtsort pulsierender Kunst und Kultur, die Wiege wirtschaftlicher Entwicklungen und Heimat für Menschen unterschiedlichster Herkunft. Vor allem aber ist die deutsche Metropole Sehnsuchtsziel von Touristen aus aller Welt.
Berlin versteht es, seine Geschichte zu verarbeiten, mit ihr zu spielen und dabei gutes Geld zu verdienen. Historische Plätze zu trendigen Hotspots zu machen. Mit dem unvergleichlichen Mix aus seriös wirkender Macht und frecher Berliner Schnauze Ausländer, Deutsche und Einheimische in den Bann zu ziehen. Das Gedenken an die Berliner Mauer, an die Unterschiede zwischen dem russischen und dem alliierten Sektor hochzuhalten und doch fast unbemerkt die Kluft zwischen Ost und West zu schließen. Die Narben sind noch zu sehen, aber sie verheilen und verhelfen der Stadt zu einem schillernden Superhelden-Status.
Neben altgedienten Attraktionen wie der Museumsinsel, der Gedächtniskirche, dem Tiergarten mit Siegessäule aka „Goldelse“ und der Berliner Weißen mit Schuss – vorzugsweise genossen in Wannsee – haben sich in den vergangenen Jahren neue Erlebniswelten einen Namen gemacht: Potsdamer Platz, Hackesche Höfe, Madame Tussauds, Dampfer fahren auf der Spree und Spritz Aperol, kühl serviert im Café Einstein.
Ob alt oder neu, ob ehemals Ost oder West: Jeder Quadratmeter ist deutsche Historie mit glänzenden, aber auch vielen dunklen Kapiteln. Am intensivsten zu spüren ist das im Regierungsviertel. Hier reißen sich die Sehenswürdigkeiten um die Aufmerksamkeit der Menschen: der Reichstag mit seiner futuristisch wirkenden Glaskuppel als Zentrum der politischen Kraft, Schloss Bellevue, der gediegene Amtssitz des deutschen Bundespräsidenten, und das Brandenburger Tor als das Wahrzeichen Berlins schlechthin.
Zu Zeiten der Berliner Mauer stand es im Niemandsland, gekrönt von der berühmten Quadriga, die dem satten Westen die Kehrseite zeigte und sehnsuchtsvoll in das nach Freiheit dürstende Ostberlin schaute. Wo früher bedrohliche Weite herrschte, flanieren heute Menschen in rauer Zahl durch die mächtigen Säulen. Auf der einen Seite machen sie sich auf den Weg zum Holocaust-Mahnmal und auf der anderen Seite genießen sie auf dem Pariser Platz das Leben und die Darstellungen der Straßenkünstler.
Ehemaliger Verlauf der Mauer markiert
An die Berliner Mauer erinnert heute noch eine Markierung des Mauerverlaufs durch Großsteinpflasterreihen, in die in regelmäßigen Abständen gusseiserne Platten mit der Inschrift „Berliner Mauer 1961 bis 1989“ eingelassen sind.
Wer etwas mehr von der bedrohlichen Atmosphäre spüren möchte, die noch alle diejenigen kennen, die vor 1989 ihre Abschlussfahrt nach Berlin gemacht haben, der sollte das Panoramabild des Kreuzberger Künstlers Yadegar Asisi besichtigen: Es gewährt einen authentischen Blick über die Berliner Mauer hinweg von Kreuzberg nach Mitte an einem fiktiven Herbsttag in den 80er-Jahren.
Zeitlos lehrreich ist ein Besuch des Mauermuseums am Checkpoint Charlie. Es bietet eine Reise in die Geschichte des Mauerbaus und des Alltags an der tödlichen Grenze.
Vor allem aber gibt es Zeugnis davon, wie unstillbar der Hunger nach Freiheit sein kann. Viele Exponate zeigen anschaulich, mit wie viel teils verzweifeltem Ideenreichtum die Menschen versuchten, von Ost nach West zu gelangen: Durch den Tunnel, mit dem Kajak oder selbstgebautem Fluginstrumenten, in der Lautsprecherbox, im Koffer, im Beifahrersitz versteckt…
Einen eindringlichen Begriff vom doppelgesichtigen Leben in der ehemaligen DDR bekommt, wer das ehemalige Stasi-Gefängnis Hohenschönau besucht. Zeitzeugen führen hier durch die Zellen und Räume, in denen sie noch vor 36 Jahren gequält wurden.
Zeitzeugen führen durch Stasi-Gefängnis
Mischa Naue zum Beispiel saß 1983 in Hohenschönau ein – weil er einen Fluchtversuch über Ungarn gewagt, anderen zur Flucht in den Westen verholfen hatte, und weil er sich für den Buddhismus interessierte. Wenn er von den Verhören, der Willkür erzählt, davon, wie Menschen stunden-, tagelang in die völlig abgedunkelte „Gummizelle“ gesperrt wurden, wird deutlich, wie es nach dem Zweiten Weltkrieg nahtlos mit Willkür, Schrecken und Unterdrückung weiterging. Eindringlich schildert er das System der Bespitzelung und der Bedrohung. Er komme an diesen Platz zurück, so Naue, weil ihm die jüngsten Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland Sorge bereiteten. „Ich erzähle jungen Menschen von meinen Erfahrungen und fordere sie auf, wählen zu gehen. Und zwar die richtigen Parteien – nicht diejenigen, die für Unterdrückung und Hass stehen.“
Ein anderes, sehr dunkles Kapitel der deutschen Geschichte lässt sich in der Gedenkstätte KZ Sachsenhausen erspüren: Die von einem SS-Architekten am Reißbrett als idealtypisches Konzentrationslager konzipierte Anlage diente als Modell- und Schulungslager. Zwischen 1936 und 1945 waren im KZ Sachsenhausen mehr als 200000 Menschen inhaftiert. Zehntausende kamen durch Hunger, Krankheiten, Zwangsarbeit und Misshandlungen um oder wurden Opfer von systematischen Mordaktionen der SS.
Um sich nach dem bedrückenden Besuch dieses großen Mordschauplatzes wieder Luft zu verschaffen, ist eine Fahrt mit dem schnellsten Aufzug Europas zu den besten Blicken auf Berlin genau das Richtige: In nur 20 Sekunden geht es in 100 Meter Höhe. Von der zweistöckigen Aussichtsplattform des Hochhauses Panorama Punkt am Potsdamer Platz aus kann man die Hauptstadt und ihre Highlights überblicken: vom Haus der Kulturen der Welt bis zum Fernsehturm. Er dominiert den neuen Hotspot der deutschen Hauptstadt und hat als Szenetreffpunkt längst den Ku’damm und die Friedrich-Wilhelm-Gedächtniskirche abgelöst. Wer allerdings Berlin vom Fernsehturm aus betrachten möchte, der sollte tunlichst seinen Besuch sorgfältig planen und die Fahrt im Aufzug per Internet buchen. Ansonsten riskiert er, viel Zeit in der Warteschlange vor dem Aufzug zu vertrödeln.
Wer lieber etwas erleben, lernen, sich bilden möchte, braucht nicht weit zu gehen: das Menschen Museum lockt mit der Ausstellung Körperwelten, in fußläufiger Entfernung ist die Museumsinsel mit dem Pergamon-Museum.
Ein weiteres, pulsierendes Zentrum der Stadt ist der Potsdamer Platz: Seine Wiedergeburt ist dem größten europäischen Bauprojekt der 90er-Jahre zu verdanken und ein Paradebeispiel für urbane Erneuerung. Renommierte Architekten wie Helmut Jahn und Renzo Piano haben hier der Stadtentwicklung ein Denkmal gesetzt. Am auffälligsten ist das Sony-Center, dessen Innenhof mit einer Glaskuppel überdacht ist.
Verewigt finden sich am Potsdamer Platz auch deutsche Filmstars und Regisseure: Auf dem betonierten roten Teppich der Potsdamer Straße finden sich ähnlich wie beim Walk of Fame goldene Sterne mit berühmten Namen, zum Beispiel von Marlene Dietrich, Werner Herzog und Romy Schneider.
Wer Berlin bequemer angehen möchte, der macht eine Dampferfahrt auf der Spree mit oder setzt sich in die Buslinien 100 oder 200: Komfortabel geht es an den bekanntesten und wichtigsten Sehenswürdigkeiten vorbei, die man mit einem schnellen Schnappschuss mit dem Smartphone für die private Ewigkeit festhalten kann.
Leben genießen in Hackeschen Höfen
Wer lieber shoppen und Latte Macchiato trinken geht, der ist in den Hackeschen Höfen am besten aufgehoben: Das berühmte Ensemble entstand 1907, überdauerte die Berliner Teilung und wurde Mitte der 90er-Jahre umfassend renoviert. Die acht Innenhöfe bieten eine tolle Mischung aus Cafés, Galerien, Boutiquen und Unterhaltungseinrichtungen.
Architektur, Geschichte, Kunst. Shopping, Clubbing, Museen-Hopping: Es liegt nicht nur an der berühmten Berliner Luft, dass betörte Menschenströme die Stadt bevölkern und es zugeht wie im großen Taubenschlag des Tourismus. Tatsächlich lässt sich in Berlin an jeder Ecke Interessantes, Historisches, Kunstvolles, Witziges, Trendiges, Impulsives, Spannendes und Spontanes entdecken. Damit schreibt die deutsche Hauptstadt ein weiteres Kapitel ihrer vielseitigen Geschichte – eins, in dem viele Nationen friedlich vereint das Großstadtleben in vollen Zügen genießen möchten.