1970, als sie geboren wurde, waren ihre Eltern gerade dabei, den Hochschober umzubauen. Das Hallenbad und die hauseigene Sauna waren etwas Besonderes – zumal sie auf 1763 Höhenmetern stehen. Dort oben auf der Turracher Höhe, gerade noch so in Kärnten – ein Teil des Sees vor der Tür liegt schon in der Steiermark – hat sich viel geändert innerhalb von 90 Jahren. Das Jubiläum bietet Gelegenheit, Rückschau zu halten mit den drei Frauen der Familie: Barbara (73), Karin (49) und Julia (16).
Seniorchefin Barbara Leeb ist die Einzige, die keine Kindheit im Hotel erlebt hat. Als fleißiges, schüchternes Lehrmädchen kam sie 1961 auf die Turrach. 75 Betten hatte das Hotel. „Im ersten Stock gab es Zimmer mit Bad, im zweiten und dritten Stock ein Etagenbad, für das extra bezahlt werden musste“, schreibt sie über diese Zeit in ihrer Biografie „Jahresringe erzählen. Wie der Hochschober mein Leben und meine Liebe wurden.“ 1929 hatten Hans und Hilde Leeb den damaligen Gasthof gegründet. Dass sie sechs Jahre später deren Neffen Peter, den Juniorchef, heiraten sollte, konnte das junge Lehrmädchen Barbara nicht ahnen.
Bewegte Hotelgeschichte
Daraus, dass ihr Haus nicht schon immer ein Vier-Sterne-Superior-Wellnesshotel war, machen die Leebs kein Geheimnis. Episoden aus weniger luxuriösen Zeiten lesen die Gäste täglich in der Morgenpost zum Frühstück. Etwa davon, wie die Hotelgründer nach Kriegsende unter britischer Besatzung als Gouvernante und Heizer im eigenen Haus arbeiten. Oder wie einst das Gepäck mit Pferdefuhrwerk auf den Berg gebracht wurde, die Gäste kamen zu Fuß. Erst ab 1949 fuhren täglich Busse auf die Turrach. Strom gab es schon vier Jahre, als Barbara Leeb ihre Lehre begann, das Telefon „kam“ erst 1979.
Wie es wohl ohne Telefon war, mag sich die 16-jährige Julia gar nicht vorstellen. Sie hält dank Social Media Kontakt zu Stammgast-Kindern, und hat einen Hochschober-Blog ins Leben gerufen.
Unter der Woche, wenn Schule ist, wohnt Julia im Tal. Wenn sie dann im Hotel ist, genießt die 16-Jährige das gute Essen und den Spa-Bereich. Ganz anders als Mutter Karin. Die konnte in ihrer Jugend mit Wellness wenig anfangen.
Dafür leuchten ihre Augen, als sie von der „Grotte“ erzählt, die sie gemeinsam mit den Gästekindern der 80er-Jahre gestürmt hat. Die Disco im Keller gibt es längst nicht mehr. Aber einige Spielkameraden von damals kommen noch immer; inzwischen mit ihren Kindern. Die „ältesten“ Stammgäste sind seit 45 Jahren regelmäßig da.
Erholung steht im Vordergrund
Und doch sind die Urlauber nicht mehr dieselben. Zwei bis drei Wochen sind sie früher geblieben. „Den ganzen Tag wurde gewandert und Ski gefahren, und abends war es sehr gesellig – bis spät in die Nacht“, erinnert sich Barbara Leeb.
Heute bleiben die meisten nur für ein paar Tage und suchen vor allem eines: Erholung. Schade findet es Karin Leeb, dass die meisten sich kaum die Zeit nehmen, die Lärchen- und Zirbenwälder der umliegenden Nockberge zu erkunden. Ihr Mann Martin Klein bietet gemeinsame Mountainbiketouren an, so wie sein Schwiegervater einst mit den Gästen im Morgengrauen zu ganztägigen Wanderungen aufbrach.
Schwerer ist es in der Branche geworden, seit die beiden 2003 die Führung übernommen haben. Die Wellnessbranche boomt, der Konkurrenzdruck wächst. Ihr Rezept, sich da zu behaupten, bedeutet aber harte Arbeit: „Den Gästen immer einen Grund geben, wiederzukommen.“ Dazu gehören Kleinigkeiten – etwa den Lieblingsplatz im Restaurant für den nächsten Besuch vorzumerken. Aber das allein reicht nicht.
Die Ideen, um Stammgäste immer neu zu überraschen, dazu holen sich die Leebs Inspirationen auf Reisen – schon immer. Barbara Leeb und ihr Mann fanden immer die Zeit dafür: Kanada und USA, Bahamas, Hawaii und der Rest der Welt. „Vor allem aus Fernost brachten wir viele Ideen mit“, erzählt die 73-Jährige.
Sie reisten nicht um des Reisens Willen, sondern um das Beste, was sie in fernen Ländern kennenlernten, mitzubringen. Ende der 80er-Jahre waren sie in Istanbul in einem Hamam. Die Faszination ließ sie nicht mehr los. Knapp zehn Jahre später wurde das eigene orientalische Badehaus am Berg eröffnet.
Ganzjährig baden
im Bergsee
„Oft“, so sagt die Seniorchefin im Rückblick, „war auch eine gewaltige Portion Verrücktheit im Spiel“. Zum Beispiel beim Seebad. Eine Utopie sei es erst gewesen, in einem Bergsee, der im Sommer maximal 18 Grad warm ist, ein Seebad einzurichten, in dem die Gäste ganzjährig bei 30 Grad im Seewasser schwimmen können – sogar im Winter, wenn nebenan auf der gefrorenen Eisfläche Langläufer ihre Runde drehen. 1995 wurde daraus Realität.
Karin Leeb hat die Reiselust ihrer Eltern geerbt. „Es geht aber nicht darum, Trends um der Exotik Willen umzusetzen, sondern von anderen Kulturen zu lernen“, erklärt sie „bei aller regionalen Verwurzelung sind die Offenheit und die Neugierde für fremde Kulturen wichtig“.
Mal ist es nur eine kleine, kulinarische Anregung, die sie im Ausland aufgreift – etwa die schön angerichteten „Bowls“, eine Inspiration aus Kalifornien. Mal sind es richtig große Meilensteine – etwa das original chinesische Teehaus, das seit 2005 am Seeufer steht. Ein Herzenswunsch ihres Vaters, dessen Umsetzung viele Jahre in Anspruch nahm.
Beim Anblick des roten Pagodenbaus am Ufer des Kärtner Bergsees, was hätten sie gestaunt, Hans und Hilde, damals vor 90 Jahren. Aber mächtig stolz wären sie sicher auch gewesen.