Tauschen statt kaufen

von Redaktion

Freude über gebrauchte Klamotten: Kleidertauschparty des Kreisjugendrings Mühldorf mit Musik und Kunst unter dem Motto „Tauschen und Lauschen“.

Was ist denn das für eine hippe Boutique? Fesche Klamotten hängen an den Ständern, Indie Pop-Musik sorgt für Stimmung, eine junge Frau bewundert ihr neues Outfit im Spiegel neben der Umkleidekabine. Ja, der Pulli muss auf alle Fälle mit, entscheidet sie. Doch statt an der Kasse ihren Geldbeutel zu zücken, legt sie einen Chip in eine Schale. Damit ist das Kleidungsstück bezahlt.

Nicht kaufen, sondern tauschen ist hier das Motto. Der hippe Klamottenladen ist in Wirklichkeit eine Kleidertauschparty. Der Pulli, den sich Besucherin Moni Ott aus Waldkraiburg ausgesucht hat, wurde davor von jemand anderem getragen. Irgendwann hat dieser Jemand beschlossen, dass er das Kleidungsstück nicht mehr braucht, wegwerfen aber zu schade ist. Auch Ott hatte einige solche gebrauchte Kleider aus ihrem Schrank ausgemistet und im Vorfeld der Kleidertauschparty gegen Chips eingelöst. Ihre Klamotten hängen nun auch irgendwo an den Ständern. Mit den Chips kann sie sich gebrauchte Sachen anderer Leute „kaufen“.

„Die meisten Kleider werden leider viel zu wenig getragen und landen irgendwann einfach auf dem Müll“, sagt Andrea Lübben, die Geschäftsführerin des Kreisjugendrings Mühldorf, der die Kleidertauschpartys veranstaltet. Die Idee dazu stammt von der ehemaligen Praktikantin Anna Wenzel, die das Konzept aus Großstädten kannte und nach Mühldorf bringen wollte. So fanden im vergangenen Jahr bereits zwei Kleidertauschpartys statt.

Second Hand
als Event

Es ist immer ein richtiges Shopping-Event, das da in der Schenkerhalle in Waldkraiburg stattfindet. Denn neben Klamotten gibt es Live-Musik von regionalen Künstlern, eine Kunst-Ausstellung und Workshops rund ums Batiken und Upcyceln alter Kleidung. Zur Stärkung können sich die Besucher am kostenlosen und fleischfreien Buffet bedienen. Rund 100 Gäste sind da, etwa 80 davon haben Klamotten zum Tausch mitgebracht.

Das Prinzip ist einfach: Vor und während der Party können die Gäste ihre Kleider gegen Chips eintauschen. Mit den Chips darf man dann unter allen angebotenen Sachen shoppen. Übrige Chips kommen in eine Schale. Wer nichts mitgebracht hat oder mehr mitnehmen will, als er Chips hat, darf sich dort einfach welche rausnehmen. Einige Kleider bleiben am Ende trotzdem übrig. Die gehen als Spende an das Ankerzentrum für Flüchtlinge. Damit kann jeder mit seinen alten Sachen noch etwas Gutes tun.

„Die Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren auf den Konsum ausgerichtet“, sagt Anna Wenzel. Es werde einfach zu viel produziert. Beim Kleidertausch könne man ohne schlechtes Gewissen shoppen. „Denn was nicht weggeschmissen, sondern getauscht wird, muss nicht neu produziert werden“, betont sie. Andrea Lübben ergänzt, dass man damit nicht nur die Umwelt schütze und die Ausbeutung von Menschen vermeide, sondern auch noch den eigenen Geldbeutel schone.

Vom Stöckelschuh bis
zum Pelzmantel

Bei Second Hand denkt man zunächst an alte, muffige Sachen. Die Kleidertauschparty bringt die gebrauchten Kleider ganz anders rüber. Da ist schon mal die Auswahl: Vom Pelzmantel bis zum Stöckelschuh, Jacken, Dirndl, Hosen, Accessoires und vieles mehr für Männer und Frauen wollen entdeckt werden. Das Highlight ist eine alte Post-Uniform, die einen neuen Besitzer sucht.

Bei der Annahme wird geprüft, dass die Kleidung in Ordnung und nicht zu abgetragen ist. Diese wird dann von Helfern sortiert und an die richtige Stelle verräumt. Wie in einer echten Boutique gibt es Umkleidekabinen und Spiegel. Auch die Organisatoren sorgen für gute Laune. Die Veranstaltung wird maßgeblich von rund 15 ehrenamtlichen Jugendlichen des Kreisjugendrings durchgeführt. „Die Jugendlichen erleben gerade mit Fridays for Future, wie wichtig Nachhaltigkeit ist – da knüpfen wir mit der Veranstaltung an“, so Lübben. Sie hofft, dass bald die nächste Kleidertauschparty stattfinden kann. Geplant ist sie eigentlich für den 19. Juni. Doch wegen Corona ist dieser Termin noch ungewiss. Beim Kreisjugendring arbeitet man an einem Konzept, wie eine Kleidertauschparty mit Schutzmaßnahmen aussehen könnte. Klar ist aber, dass die Kleidertauschpartys irgendwann weiter gehen sollen. Nicht nur, um den alten Kleidern einen neuen Wert zu geben. Sondern auch, um mit netten Menschen bei Musik und guter Stimmung eine schöne Zeit zu verbringen.

Wegwerf-Mode

Das Konsumverhalten bei Kleidung ist erschreckend. Jedes fünfte Kleidungsstück wird heute überhaupt nie getragen. Jährlich entsteht in Europa ein Klamotten-Müllberg von 8,4 Tonnen. Die Menschen tragen heute ihre Kleidungsstücke nur noch halb so lange, wie es vor 15 Jahren der Fall war. Große Modeketten wechseln bis zu 24 Mal im Jahr ihre Kollektionen. Dabei kann man aus diesem verschwenderischen System einfach aussteigen und trotzdem schick gekleidet sein: zum Beispiel durch faire Mode, Upcycling oder Second Hand.Foto Pixabay

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