Herr Eisele, welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf die bayerische Wohnimmobilien-Wirtschaft gehabt – haben Sie schon einen Überblick?
Auch die im BFW Bayern zusammengeschlossene mittelständische Immobilienwirtschaft war vom Lockdown im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie betroffen – wenngleich nicht so stark wie andere Wirtschaftsbranchen. Insbesondere zu Beginn der Kontaktbeschränkungen zeigten sich die Auswirkungen auch im Geschäftsalltag der Mitgliedsunternehmen. Bei Bauträgern gab es vereinzelte Lieferprobleme, aber auch der Fachkräftemangel machte sich bemerkbar, da der Pendelverkehr über Landesgrenzen stark eingeschränkt war. Auch Genehmigungsverfahren und Behördengänge verzögerten sich. Bestandshalter hatten insbesondere im Gewerbebereich mit Mietausfällen zu kämpfen. Dazu beigetragen hat auch die konstruktive Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr samt Staatsministerin Kerstin Schreyer. Die Immobilienbranche hat sich damit als echter Stabilitätsanker in der Krise erwiesen. Wir als mittelständische und weitgehend inhabergeführten Immobilienunternehmer Bayerns sind der anerkannte Partner.
Wie waren Angebot und Nachfrage während des „Lockdowns“ und wie sieht es aktuell aus?
Wohnen ist ein Grundbedürfnis und daher auch in Krisenzeiten nicht so stark von wirtschaftlichen Schwankungen getroffen wie andere Branchen. Deshalb kann gesagt werden, dass es aufgrund des Lockdowns zu keinen gravierenden Auswirkungen auf den Auftragsbestand kam, zumindest was die Bautätigkeit angeht. Dennoch zeichnet sich ab, dass sich in Zukunft einige Veränderungen auf den Immobilienmärkten ergeben werden. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den Büro- und Gewerbeimmobilienmarkt. Stark gesunkene Umsätze im Einzelhandel und die Etablierung neuer Arbeits- und Absatzformen setzen hier den Immobilieneigentümern erheblich zu. Sollte hier nicht gegengesteuert werden, wird dies insbesondere für unsere Innenstädte erhebliche Auswirkungen haben. Für Mieter wird es ebenfalls zu gravierenden Änderungen kommen, sollten diese verstärkt die Möglichkeit des Homeoffice nutzen oder nutzen müssen, denn dazu benötigen sie schlicht und einfach mehr Raum. Im Wohnungsbau bleibt die Nachfrage auch deshalb nach wie vor auf unverändert hohem Niveau. Hier wird es in Zukunft weiter darum gehen, das Angebot erheblich auszubauen, um die bestehende Nachfrage bedienen zu können.
Es waren schon Stimmen zu hören, dass die Preise für Wohnimmobilien nachgeben könnten? Was können Sie auf dem Markt beobachten und welchen Blick werfen Sie in die Zukunft?
Aktuell können wir diese Einschätzung nicht bestätigen. Auch das ifo Institut sieht mit Hinblick auf die amtliche Baupreisstatistik noch keine Hinweise auf eine echte Preissenkung. Vielmehr ist im Wohnungsbau aufgrund der gestiegenen Nachfrage, hohen Grundstückspreisen, weiterhin hohen regulatorischen Anforderungen und Fachkräftemangel in allen Handwerksbranchen von steigenden Preisen auszugehen. Doch auch hier ist mit Blick auf andere Märkte ein differenziertes Bild zu erstellen. So steigen im Logistikbereich aufgrund des Online-Handels bereits die Preise, da insbesondere der Online-Handel gegenüber dem stationären Handel weitere Marktanteile gewinnt. Der starke Aufwind der vergangenen Jahre wird sich für Jahre umdrehen, da weiterhin mit Kontaktbeschränkungen zu rechnen ist. Auch wenn ein Blick in die Zukunft in dieser Zeit immer mit Unsicherheit behaftet ist, so ist hier von einem – vor allem kurzfristig stark – sinkenden Investitionsvolumen auszugehen.
Kommen wir auf den Ballungsraum München zu sprechen – welche Erfahrungen machen Ihre Mitgliedsunternehmen dort aktuell? Wie entwickeln sich die Projekte – wie ist die Nachfrage?
Auch im Ballungsraum München zeichnen sich die gesamtdeutschen Trends ab. Der Wohnungsmarkt ist weiterhin angespannt und ein Rückgang der Nachfrage nicht zu verzeichnen. Wir müssen weiter daran arbeiten schneller, günstiger und mehr Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Der BFW Bayern sieht sich daher als Partner aller Wohnungssuchenden und setzt alles daran die passenden Rahmenbedingungen für mehr Wohnungsbau zu schaffen.
Gleichzeitig sind Bestandshalter im Bereich von Gewerbe- und Büroimmobilien nachgelagert durch den Umsatzeinbruch bei ihren Mietern betroffen. Durch das Mietenmoratorium kam die Lage in der Zeit des Lockdowns einer Zwischenfinanzierung durch die Immobilienunternehmen gleich. Erst die Zukunft wird zeigen, wie sich diese Märkte weiterentwickeln. Der BFW Bayern befindet sich dazu in Gesprächen mit Vertretern von Einzelhandel, Wissenschaft und Politik, um insbesondere die Entwicklung der Innenstädte zu diskutieren. Auf dem Expertenforum Quartiersentwicklung wird diese Frage im Mittelpunkt stehen.
Zum Thema „Immobilie“ als Anlage beziehungsweise als Alterssicherung: Die Zinsen scheinen nachhaltig im Keller zu bleiben – welche Alternativen zur guten Immobilie als Anlage sehen Sie?
Aktuell erfüllen wenige Anlagen die Krisensicherheit so zuverlässig wie die Immobilie. Besonders unter Berücksichtigung der Volatilität von Aktien- und Rohstoffmarkten haben Immobilien besondere Vorteile: Sie entwickeln sich inflationsbereinigt, sind transparent und der Inhaber benötigt eine erheblich geringere Transaktionsgeschwindigkeit, um Gewinne zu realisieren. Das hat auch steuerlich durchaus Vorteile, sodass die Wertsteigerungen nur im spekulativen Bereich wirklich hoch ausfallen. Hinzu kommt, dass der Wunsch nach einem Eigenheim weiterhin Bestand hat. Viele Projekte werden daher derzeit nur verschoben, aber eben nicht storniert. Die Immobilie bleibt also weiterhin eine krisenfeste Anlagemöglichkeit.
Der Baugrund in und um München ist die letzten Jahre immer knapper geworden – welche Lösungsansätze gibt es?
Diese Frage stellt sich in vielen urbanen Räumen bayern- und deutschlandweit. Speziell für München hat der BFW Bayern seine Positionen in einem München-Plan zusammengefasst, der Lösungsansätze zur Linderung der Wohnungsnot aufzeigen soll. In drei Punkten wird hier explizit auf die Schaffung von mehr Dichte im urbanen Gebiet eingegangen. Denn hier stehen die Regelungen zum Freiflächennachweis, Stellplatzvorgaben oder den Abstandsflächen mehr Dichte entgegen. Dennoch werden in der Novellierung der Bayerischen Bauordnung Großstädte explizit von einer Verringerung der Abstandsflächen ausgenommen. Der BFW Bayern wird hier auf eine Nachbesserung des Gesetzentwurfes drängen. Wenn in Städten mehr Wohnraum bei gleichbleibender Lebensqualität geschaffen werden soll, dann sind der Quartiersgedanke und damit die hochverdichtete Nutzung für Wohnen, Leben und Arbeiten die zentralen Schlüssel.
Welche Stellschrauben haben Politik und Verwaltung – Städte und Gemeinden – um mehr Menschen eine eigene Wohnimmobilie zu ermöglichen?
Grundsätzlich lautet die Antwort, dass zwingend mehr gebaut werden muss – sowohl auf dem Mietwohnungsmarkt als auch im Eigenheimbereich. Dafür müssen von der Politik die passenden Rahmenbedingungen geschaffen und durch die Verwaltung umgesetzt werden. Auf dem Wohnungsgipfel der Bayerischen Landesregierung im vergangenen Jahr wurden viele Positionen des BFW Bayern übernommen, die zu der vermehrten, schnelleren und günstigeren Schaffung von Wohnraum beitragen sollen. Einige Positionen haben jetzt Einfluss in den Gesetzesentwurf zur Novellierung der Bayerischen Bauordnung gefunden. Beispielhaft zu nennen sind die Verringerung der Abstandsflächen oder die Streichung der starren Stellplatzvorgaben in der Bauordnung. Eine weitere Anhörung war am 22. September. Auf kommunaler Ebene, insbesondere in München, finden sich weitere Ansatzpunkte für die Schaffung von mehr Wohnraum. Die Genehmigungsbehörde sollte dringend besser technisch und personell ausgestattet werden, um Genehmigungsprozesse zu verkürzen, Stichwort Digitalisierung. Die Streichung des München Modell Eigentums durch die rot-grüne Regierungskoalition in München bedauern wir, da so Geringverdienern eine weitere Chance zur Bildung von Wohneigentum genommen wird und damit eine wesentliche Maßnahme für die Verhinderung von Altersarmut. Einmal ganz ehrlich: Will die Stadt arme Alte?