Raus aus dem Klassenzimmer, rein ins Leben: Ob eigenes Geld verdienen oder Praxisnähe, es gibt viele gute Gründe für eine Ausbildung. Auch Weiterbildungen wie etwa Meister, Techniker oder Fachwirt, die Aufstiegsoptionen eröffnen, gibt es für jeden der über 320 Ausbildungsberufe. Selbst als Vorbereitung auf ein Studium ist ein Berufsabschluss ein wertvoller Einstieg, der erste Orientierung bietet. Bemühungen, die Attraktivität der dualen Ausbildung zu steigern, haben zudem zu zahlreichen Verbesserungen geführt: Azubis können ebenso wie Studierende ins Ausland gehen und bereits während ihrer Ausbildung Zusatzqualifikationen erwerben. Das modernisierte Berufsbildungsgesetz, das zum 1. Januar dieses Jahres in Kraft trat, legt zum Beispiel neue Fortbildungsstufen wie Bachelor Professional und Master Professional fest. Die neue Mindestvergütung sichert allen Auszubildenden, die unter das Berufsbildungsgesetz fallen, eine faire Vergütung. Das neue Gesetz sieht auch mehr Flexibilität bei einer Ausbildung in Teilzeit vor.
Heimische Wirtschaft setzt auf Ausbildung
Die Übernahmechancen stehen zudem sehr gut. Schließlich bilden Betriebe nicht nur Azubis aus, sie möchten Fachkräfte für sich gewinnen, die ihnen langfristig erhalten bleiben: „Auch wenn in vielen Firmen die Bewältigung der Corona-Krise derzeit an erster Stelle steht, wissen die Unternehmen, dass sie sich mit eigenem top-ausgebildeten Fachkräftenachwuchs bestmöglich für die kommende Zeit aufstellen und jeder Azubi eine Investition in die Zukunft ist“, betonte IHK-Vizepräsidentin Ingrid Obermeier-Osl erst vor wenigen Tagen in einem Interview mit der OVB-Heimatzeitung. Rein rechnerisch steht jedem Schulabgänger mindestens eine Ausbildungsstelle zur Verfügung. In der Stadt und im Landkreis Rosenheim starteten 913 Jugendliche und junge Erwachsene eine Berufsausbildung in einem Industrie-, Handels- oder Dienstleistungsunternehmen. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der Vertragsabschlüsse laut IHK um 10,4 Prozent zurückgegangen. Für die Region Traunstein zeigt sich das gleiche Szenario. Hier begannen 633 Jugendliche eine Berufsausbildung in einem IHK Beruf und damit ebenfalls deutlich weniger als im Vorjahr. Im Landkreis Mühldorf fällt der Rückgang nicht ganz so drastisch aus: Mit 382 abgeschlossenen Verträgen verzeichnete der Landkreis 3,5 Prozent weniger Verträge als im Vorjahr.
Option Handwerk
Auch das Handwerk ist im Freistaat ein wichtiger Ausbilder: 2019 lag der Anteil der Azubis, die in einem Handwerksbetrieb lernen, bei 29 Prozent. Dieses Jahr starteten über 20640 junge Leute am 1. September in einem bayerischen Handwerksunternehmen ins Berufsleben. Im Vergleich zum Vorjahr ist das ein Minus von 8,6 Prozent. Die sinkende Zahl an Schulabgängern sowie die Auswirkungen des Lockdowns haben auf dem Ausbildungsmarkt ihre Spuren hinterlassen.
Gefragte Fachkräfte, kein Corona-Jahrgang
Eine Umfrage unter 14- bis 20-Jährigen im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung Ende August ergab, dass die Corona-Krise viele junge Menschen mit Blick auf ihre Ausbildungschancen verunsichert hat. Für die Region Oberbayern kann die IHK-Vizepräsidentin da nur beruhigen. Nach wie vor gebe es Stellen, die noch nicht besetzt sind.
Auch der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), Detlef Scheele, findet inmitten der Corona-Krise klare Worte und spricht von einem verschärften Fachkräftemangel und einem robusten Ausbildungsmarkt. Er erwarte, dass es am Ende der Pandemie geringfügig mehr unversorgte Ausbildungsplatzsuchende geben werde als vor der Pandemie. „Wir sehen keinen Corona-Jahrgang“, so der BA-Vorstand. Bundesweit gebe es gut 513000 Ausbildungsstellen für ungefähr 460000 Bewerberinnen und Bewerber. 100000 von ihnen seien noch unversorgt. „Das bedeutet, wir hängen sechs bis acht Wochen hinter dem normalen Ausbildungsgeschehen hinterher. Wir sind uns aber mit den Kammern einig, dass wir bis Januar nachvermitteln wollen“, sagte Scheele. Auch hier in der Region haben sich viele Betriebe darauf eingestellt, dass noch Neuverträge abgeschlossen werden.
Schwieriges Matching
Auch wenn rein rechnerisch alle Jugendlichen versorgt werden könnten, geht diese Rechnung nicht für jeden auf. Dass es manchmal mit dem Wunschberuf nicht funktioniert, hängt nicht unbedingt mit der Anzahl der offenen Stellen zusammen. Mal sind die Anforderungen zu hoch, andere Berufe genießen bei Jugendlichen kein hohes Ansehen, dann wiederum sind die Arbeitszeiten unattraktiv. Gerade in ländlichen Regionen kommt hinzu, dass nicht alle Betriebe mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar sind. Wer nicht mobil ist, keinen Führerschein hat oder nicht gefahren werden kann, hat das Nachsehen. vk