Das Miteinander gezielt fördern

von Redaktion

Generationenhäuser in der Region sind relevanter denn je für die Gesellschaft

Früher war es normal, dass mehrere Generationen unter einem Dach lebten und einander unterstützten. Es war selbstverständlich, dass das Zuhause den Bedürfnissen der Bewohner angepasst wurde. „Das rufe ich mir immer in Erinnerung, wenn wir über moderne Mehrgenerationenhäuser sprechen“, sagt Christine Degenhart, Präsidentin der Bayerischen Architektenkammer. Denn heutzutage ziehen die Kinder der Arbeit wegen häufig weg und kehren nicht selbstverständlich später wieder in die Heimat zurück. Auch Paare und Alleinerziehende haben nicht mehr unbedingt die Eltern in der Nähe, die sie bei der Kinderbetreuung unterstützen können. So ergeben sich neue Herausforderungen für die Gesellschaft, wenn es um den Erhalt sozialer Strukturen geht.

Zusammenhalt stärken

Hier setzt das Mehrgenerationen-Konzept an. Es soll Menschen mit verschiedenen Bedürfnissen zusammenführen, das Miteinander fördern und soziale Strukturen in der Nachbarschaft stärken. Dabei wird mit dem Begriff Mehrgenerationenhaus unterschiedliches verbunden: Zum einen fördert das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend entsprechende Projekte, die jedoch nicht aufs Wohnen abzielen. Herzstück solcher Häuser ist ein sogenannter offener Treff, der die Interaktion fördert. „Dazu gehören Betreuungs-, Lern- und Kreativangebote für Kinder und Jugendliche, Weiterbildungskurse für den (Wieder-)Einstieg in den Beruf, Unterstützungsangebote für Pflegebedürftige und deren Angehörige, Sprachkurse für Migrantinnen und Migranten und vieles mehr“, heißt es auf der Webseite des Ministeriums. Unverzichtbar ist der Freiwilligenaspekt: Möglichst jeder sollte helfen, das Miteinander zu gestalten. Die Träger solcher Projekte reichen laut Degenhart von der Kommune über Wohlfahrtsverbände und freie Träger ist alles mit dabei.

Im Förder-Dschungel

Geht es hingegen um die Kombination aus Wohnraum und Mehrgenerationenaspekt, werden sowohl Privatleute als auch Kommunen und Genossenschaften aktiv. So hat die Münchner WOGENO zwei Projekte realisiert, die in die Kategorie des Generationenhauses fallen: einmal am Reinmarplatz in Neuhausen-Nymphenburg und in Forstenried an der Limmatstraße. In Neuhausen schlossen sich WOGENO, die Stadt München und die GEWOFAG zusammen, um auf dem Gelände eines ehemaligen Seniorenheims 126 Wohnungen zu schaffen. Ein großer Innenhof mit Spiel- und Aufenthaltsflächen ist ebenso vorhanden wie ein Nachbarschaftscafé und Gemeinschaftsräume. In Forstenried arbeitete die WOGENO mit der dort angesiedelten Waldorfschule zusammen. In 70 Wohnungen unterschiedlicher Größe und Förderart sind jüngere und ältere Bewohner untergebracht, den Bewohnern stehen Gemeinschaftsräume und zwei Gästeappartements zur Verfügung.

Laut WOGENO-Vorstandsmitglied Yvonne Außmann ist es oft nicht leicht, geförderte Projekte umzusetzen, beispielsweise, wenn man mit der Stadt München zusammenarbeite und von ihr den Baugrund gestellt bekomme. „Ich verstehe, dass sich die Stadt absichern will, es werden ja Steuergelder verwendet“, sagt sie. „Aber ich denke, dass man bestimmte Dinge schon anders ‚einfädeln‘ könnte, wenn eine Genossenschaft ihr Potenzial bereits bewiesen hat.“ Außmann wünscht sich eine Vereinfachung der strikten und komplizierten Förderregelungen. Degenhart bestätigt, dass der Förderdschungel nicht leicht zu durchschauen ist: „Es kommen verschiedene Förderprogramme in Betracht, zum Beispiel im Rahmen des Bayerischen Wohnungs-bauprogramms, Modernisierungsprogramme, Förderung durch den Denkmalschutz oder die Einkommensorientierte Förderung“, sagt sie. In ihren Augen bräuchte es eine zuständige Person oder Institution, die die Förderszenarien zielführend kombiniert.

Flexible Wohneinheiten

Die Umsetzung solcher Generationenhäuser empfindet Degenhart als spannende Herausforderung für Architekten: „Sie müssen eine anspruchsvolle flexible Grundrisskonzeption umsetzen, die zum Beispiel darauf abzielt, eine größere Wohnung zu einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft umzugestalten.“ Wichtig sei es, die Interaktion künftiger Bewohner und Benutzer zu unterstützen. „Da gibt es kein festes Bauprogramm, es müssen standortbezogene Lösungen her“, sagt sie. Deshalb sei auch die Arbeit von Innen- und Landschaftsarchitekten so wichtig, denn Treppenhäuser und Freiflächen müssten so gestaltet werden, dass man sich über den Weg läuft und zum Verweilen angeregt wird.

Und gerade jetzt, da viele von zu Hause aus arbeiteten, könne ein Gemeinschaftsraum auch zum Co-Working-Space werden, an dem man arbeitet und sich austauscht. Dort könne laut Degenhart auch mal ein Senior in Ruhe dasitzen und seine Nachbarn kennenlernen. Für sie sind Mehrgenerationenhäuser deshalb grundsätzlich ein Gewinn: „Architektur, die flexibel und sensibel gestaltet ist, kann Menschen zusammenführen, Synergien schaffen und einen Mehrwert darstellen – und zwar über Generationen hinweg.“

Marion Brandstetter

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