Die Welt schaut nach Westfalen: Im Kreis Warendorf entsteht das erste in Europa zugelassene Wohngebäude aus dem 3D-Drucker. Nach vier Monaten sind die Druckarbeiten abgeschlossen. Auf Beckums berühmtester Baustelle ist man von der neuen Technik begeistert.
Selbst der Laie kann es sehen: Der computergesteuerte Betonspritzkopf des 3D-Druckers hat auf der Baustelle in Beckum ganze Arbeit geleistet. Das zweigeschossige Einfamilienhaus ist mit seinen vielen Rundungen schon jetzt eine Schönheit – auch wenn das trübe Wetter, der graue Beton und das große Gerüst den Blick auf das Gesamtkunstwerk noch stören. Dafür strahlt Georgios Staikos umso mehr. Der 38-Jährige ist als Gesellschafter der Hous3Druck GmbH Bauherr. Und: Der Mann aus Beckum hatte die Idee.
Im April 2019 rief Staikos Dr. Jennifer Scheydt an. Sie ist die Leiterin der Abteilung Engineering und Innovation bei HeidelbergCement. Die Firma forscht am Material für 3D-Betondrucker. „Ich will ein solches Haus hier in Beckum bauen“, sagte Staikos.
Spezielles Material
kommt aus Italien
Die Zementfrau aus Heidelberg war schnell überzeugt, das spezielle Material für den Drucker rollte aus Bergamo vom Hersteller Italcementi, einem Tochterunternehmen der Heidelberger Firma, nach Beckum.
Staikos ist mächtig stolz, dass „sein“ Haus bereits im April 2021 bezugsfertig sein wird. Es wird erst als Musterhaus zu besichtigen sein. Später ziehen hier Lisa-Marie und Michael Hanhues aus Beckum ein.
Die Planung übernahmen auch Einheimische, nämlich das Beckumer Architekturbüro Mense-Korte. Sehr zufrieden ist Waldemar Korte. „Wir haben viel gelernt und einen großen Erfolg erzielt“, sagt der Architekt. Für das Erdgeschoss mit seinen 80 Quadratmetern Wohnfläche habe der Drucker vier Wochen benötigt. Zu Beginn musste erst die richtige Konsistenz des Betons gefunden werden. Auch die Abstimmung von Sensoren und Silo-Pumpe brauchte Zeit. Zudem stellte sich heraus, dass etwa zehn Grad die beste Außentemperatur zur Verarbeitung war. Optimale Bedingungen herrschten dann für das zweite Geschoss. Das war nach gerade einmal sechs Tagen fertig. So schnell hätte man ein Haus mit dieser Bauform nach der herkömmlichen Methode nicht bauen können, beteuert Korte.
Er betont, dass es sich nicht bloß um einen Rohbau handle. So sind Dämmung und Fassade bereits fertig und die Leerrohre für die Elektroinstallationen verlegt. Und: Statt fünf oder sechs Bauarbeitern waren nur drei Kollegen im Digital-Einsatz.
Drucker „BOD2“ lief
zehn Stunden am Tag
Die Kosten des Projekts sind bislang nicht bekannt.
Der Drucker „BOD2“ vom dänischen Hersteller Cobod lief zehn Stunden am Tag. Sein Betonspritzkopf zog Innen- als auch Außenwände Schicht für Schicht hoch. Er ließ programmiert Flächen frei – für Fenster, Leerrohre und auch für einen Wäscheschacht. Wo Waschbecken und Badewanne hinkommen werden, kann man heute bereits erkennen.
Als eindrucksvolle Extras formte der Drucker einen Kamin zwischen Wohn- und Essbereich sowie einen Sonnenschutz auf der Terrasse.
Sogar aus Dubai meldeten sich Interessenten an der neuen Technik. Waldemar Korte wundert das nicht. Die Scheichs dort würden bereits Häuser aus dem 3D-Drucker bauen. „Doch wenn die das in ihrem Garten tun, brauchen die keine Genehmigung dafür“, sagt er und lacht. Das sei das Besondere an dem Beckumer Haus. Es sei das erste in Europa zugelassene Wohngebäude, dessen Betonwände gedruckt wurden. Die Zwischendecke und auch die Treppe entstanden auf herkömmliche Weise.
Auf rund 100 Betriebsstunden kam der sogenannte Portaldrucker. Der Druckknopf bewegte sich über drei Achsen auf einem fest installierten Metallrahmen.
Der Drucker war mittels Einhausung vor allzu neugierigen Blicken geschützt. Ende Januar, so Korte, werde das Haus für alle Passanten sichtbar sein.
Mittlerweile ist der Drucker abgebaut. Mit einer Geschwindigkeit von einem Meter pro Sekunde ist er der aktuell schnellste 3D-Betondrucker weltweit.
Alexander Schäfer