Die Pandemie macht das Landleben zum Trend, während Großstädte an Attraktivität verlieren. Das zeigen sowohl Umfragen in der Bevölkerung als auch statistische Erhebungen am Immobilienmarkt. Ein Grund dafür ist ein neues Lebensgefühl, das das Wohnen auf dem Land – oft weiter entfernt vom Arbeitsplatz – überhaupt erst möglich macht: Das Büro zu Hause.
Was einst als Ausnahmeerscheinung galt, wird nun aufgrund der Pandemie immer mehr zum Alltag. Sogar Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat jüngst in einem gemeinsamen Appell mit Gewerkschaften und Arbeitgebervertretern eindringlich dazu aufgerufen, mehr als bisher von zu Hause zu arbeiten: „Wenn Sie die Möglichkeit haben und es bisher noch nicht tun: Arbeiten Sie im Homeoffice!“
Homeoffice
verändert Blick
Natürlich ist dieser Appell vor allem der aktuellen ernsten Infektionslage in Deutschland geschuldet. Aber das Gefühl, von zu Hause aus genauso produktiv wie am eigentlichen Arbeitsplatz sein zu können, hat sich längst bei einem großen Teil der Bevölkerung verfestigt. Eine Wahrnehmung, die auch den Blick auf die eigene Wohnsituation verändert.
Laut einer Umfrage der BHW Bausparkasse wünschen sich 71 Prozent der Deutschen, dass Wohnen auf dem Land stärker gefördert wird. 22 Prozent der Großstädter, die in den Kernbereichen der Städte leben, empfinden aktuell ihre persönliche Wohnsituation sogar als belastend. Gelten die Innenstadtviertel jetzt nicht nur als teuer, sondern auch als zu eng und potenziell gefährlich? In Orten unter 20000 Einwohnern klagen jedenfalls nur fünf Prozent über Einschränkungen. Und was hält einen noch in der Stadt, wenn die Nähe zum eigentlichen Arbeitsplatz nicht mehr zwingend notwendig ist?
Die Antwort scheint für viele einfach: Nichts. Gerade die Altersgruppe der unter 30-Jährigen, die zu überwiegenden Teilen in den vergangenen Jahren in die Metropolen strömte, wünscht sich laut BHW-Umfrage zu 81 Prozent eine vermehrte Förderung für ländliche Regionen.
„Hier deutet sich eine Trendwende mit enormem Potenzial an“, kommentiert Henning Göbel, Vorstandsvorsitzender der BHW-Bausparkasse. „Wenn junge Leute und Familien das Land wiederentdecken, werden auch öffentliche Mobilitätsangebote, Geschäfte und Ärzte zurückkommen.“
Dank neuer Arbeitsmodelle wie dem Homeoffice könnten diese ländlichen Regionen auch nach Corona weiter boomen. Viele Deutsche entdeckten bekanntlich während der Pandemie ihren Bedarf an „Entschleunigung“, der Reduzierung von Massenkontakten und sozialem Stress auf wesentliche Faktoren wie Ruhe und echten Zusammenhalt. Faktoren, für die auch das Landleben steht.
Die Zahlen am Immobilienmarkt bestätigen dieses neue Bedürfnis. Laut dem unabhängigen Analyseunternehmen Bulwiengesa ging 2020 – erstmals seit zehn Jahren – die Projektentwicklung von Wohnungen in den sieben deutschen Metropolen zurück. Laut Bundesverband der privaten Immobilienwirtschaft (BFW) verlagern sich diese Wohnprojekte immer mehr in die Umlandregionen.
Christoph Kastenbauer