Ein Chef hat seinen Mitarbeitern gegenüber eine Fürsorgepflicht. Demnach darf er nicht grundsätzlich verbieten, während der Arbeitszeit zum Arzt zu gehen. Die Gründe müssen allerdings eindeutig sein, wie etwa heftige Zahnschmerzen, plötzlich einsetzendes Fieber oder ein kleinerer Unfall am Arbeitsplatz. Ist die Untersuchung medizinisch unvermeidbar und ein Termin außerhalb der Bürozeit nicht mit der Öffnungszeit der Praxis vereinbar, darf der Arbeitnehmer ebenfalls während der Arbeitszeit zum Arzt gehen. Auch bei organisatorischen Gründen in der Praxis, etwa morgendliches Blutabnehmen, ist ein Grund. Wer in Teilzeit arbeitet, wird in der Regel Probleme haben, einen triftigen Grund für einen Arztbesuch während der Arbeitszeit zu finden. Denn bei einem halben Arbeitstag darf der Chef davon ausgehen, dass man genügend Zeit hat, den Arzt außerhalb der Arbeitszeiten aufzusuchen. Im schlimmsten Fall müssen Teilzeitbeschäftigte damit rechnen, dass sie ihren Anspruch auf Lohnfortzahlung verlieren oder die ausgefallene Arbeitszeit nachholen müssen.
Was gilt im Homeoffice?
Es gelten die gleichen Regeln wie für das Büro: Wer zum Arzt muss, sollte einen Arztbesuch nach Möglichkeit außerhalb der Arbeitszeit planen. Auch, wenn man im Homeoffice etwas flexiblere Arbeitszeiten hat, muss der Chef informiert werden, sobald man den heimischen Arbeitsplatz verlässt, um einen Arzt aufzusuchen. Dabei ist es auch egal, ob der Chef die Heimarbeit angeordnet hat oder der Arbeitnehmer freiwillig im Homeoffice arbeitet.
Muss ich einen Arzttermin begründen?
Abmelden ja, den Grund nennen, nein. Streng genommen sind Arbeitnehmer nicht verpflichtet, dem Chef zu verraten, was ihnen fehlt und warum sie zum Arzt gehen. Deshalb steht auf Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ja auch keine Diagnose. Was der Chef jedoch einfordern darf, ist eine vom Arzt unterschriebene Bescheinigung über den Praxisbesuch. Aber aus Gründen der Kollegialität würde ich unbedingt dazu raten, dem Arbeitgeber zumindest grob mitzuteilen, was los ist.
Kann mein Chef mir für einen Arztbesuch den Lohn kürzen?
Geht ein Arbeitnehmer aus einem der eben genannten Gründe zum Arzt, muss der Arbeitgeber ihn bezahlt freistellen. Davon sind übrigens auch die Wegezeiten zum und vom Arzt betroffen. Das hat das Bundesarbeitsgericht bereits vor Jahrzehnten festgestellt (Az.: 5 AZR 92/82). Es genügt übrigens schon, wenn der Arzt den Mitarbeiter zu einem bestimmten Termin einbestellt und den terminlichen Wünschen des Patienten auf Verlegung der Untersuchung oder Behandlung nicht nachkommen kann oder will. Für Arbeitnehmer, die in Teil- oder Gleitzeit arbeiten, gelten allerdings höhere Hürden für die Freistellung. Ihnen darf zugemutet werden, die berufliche Flexibilität zu nutzen, um Arzttermine in die Freizeit zu legen.
Wie verhält es sich bei regelmäßig erforderlichen Arztbesuchen?
Je häufiger ein Arbeitnehmer zum Arzt muss, desto größer ist natürlich sein Arbeitsausfall und damit wächst seine Pflicht, möglichst viele der Termine in die Freizeit zu verlegen. Vor allem, wenn die Notwendigkeit fragwürdig ist: So könnte der Chef durchaus sein Veto einlegen, wenn es sich um eine mehrmals die Woche stattfindende Physiotherapie handelt. Ein nierenkranker Arbeitnehmer hingegen, der mehrmals die Woche zur Dialyse geht, muss natürlich vom Chef freigestellt werden.