Jogger, die durchs Unterholz laufen, E-Biker auf Kollisionskurs mit Traktoren und Wildparker im Feld: Landwirte in der Region Rosenheim und Mühldorf machen in letzter Zeit häufiger schlechte Erfahrungen mit Ausflüglern und Tagestouristen.
Weil durch die Corona-Beschränkungen Reisen in die Ferne nicht möglich sind, entdecken immer mehr Menschen die Natur vor ihrer Haustüre. Doch nicht jeder verhält sich bei seinen Wanderungen oder Radtouren rücksichtsvoll. Das bekommen in erster Linie die Landwirte zu spüren, die dort, wo andere ein Erlebnis suchen, ihre tägliche Arbeit verrichten.
„Die parken oft vogelwild“, erzählt Ulrich Niederschweiberer, der Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbandes Mühldorf. Der Landwirt aus Mößling bewirtschaftet auf seinem Betrieb 70 Hektar Fläche und hält Milchkühe sowie deren Nachzucht.
Das Problem: Die landwirtschaftlichen Maschinen, mit denen er zu seinen Feldern und Wiesen fährt, sind etwa drei Meter breit und haben damit auch einen größeren Radius in den Kurven. Wenn nun Fahrzeuge am Feldweg oder an Abzweigungen parken, komme man kaum noch herum. Dabei wären in der Nähe seines Hofes, an einem Flugplatz, Parkplätze vorhanden. „Die Leute wollen zwar in die Natur, aber nicht zu weit gehen“, so der Landwirt. Die Auslügler parkten einfach dort, wo Platz sei – ohne zu bedenken, dass bereits die Feldarbeit wieder losgehe.
Platz für
breite Traktoren
Niederschweiberer betont, dass auf öffentlichen Feld- und Waldwegen stets drei Meter freigelassen werden müssten. Da sie meist nur vier Meter breit seien, ist ein Parken rechtlich dort eigentlich nicht möglich. Allerding kenne er auch keinen Kollegen, der deswegen schon einmal die Polizei gerufen hätte. „Es geht um Respekt auf beiden Seiten“, findet er. „Es ist ja wirklich schön, wenn die Leute die Natur genießen – das sollen sie ja auch“, so Niederschweiberer. Die meisten Ausflügler seien auch höflich und freundlich. Aber es gebe eben auch die, die bewusst nicht zur Seite gehen, wenn er mit dem Traktor kommt. Und andere, die zum Beispiel ihre E-Bikes einfach nicht im Griff hätten und die eigene Geschwindigkeit völlig unterschätzen.
Der BBV-Kreisobmann ist überzeugt: „Die Zahl der Auslügler hat spürbar zugenommen“. Mit ihnen auch der Müll, der in der Natur landet. Das gehe von „To-Go“-Geschirr über abmontiere Autoreifen, die er erst kürzlich an einer Windschutzhecke gefunden habe. Er bittet daher Spaziergänger, keinen Abfall zu hinterlassen, und Hundebesitzer, die Hinterlassenschaften ihres Tieres einzusammeln. Denn Hundekot, der über die Wiese ins Tierfutter gerät, kann für Kühe und Co. extrem giftig sein.
Richtig gefährlich werden kann es im Wald. Denn im Winter ist die Zeit für die Holzarbeit. Die Tätigkeiten mit Kettensägen, schweren Maschinen und fallenden Bäumen sind selbst für die geschulten Arbeiter mit Verletzungsrisiko verbunden. Wenn Wanderer die Wege verlassen oder Absperrungen übertreten, könnten sie direkt in die Gefahrenzone der Baumfällungen geraten. Aus Sorge um Jogger und Co. sei auch die Jagd extrem schwierig geworden. Denn selbst in einen gezielten Schuss könnte jemand geraten, der durch das Unterholz springt.
Querfeldein
über die Alm
Zu brenzligen Situationen kann es auch auf dem Berg kommen, wenn Wanderer auf Weidetiere stoßen. Gerade wenn Bergsteiger Hunde dabei haben und den Kühen zu nahe kommen, bleiben diese nicht immer friedlich. Rosenheims Kreisbäuerin Katharina Kern, die eine Alm im Sudelfeld bei Oberaudorf bewirtschaftet, wird ihre Kühe auch diesen Sommer wieder mit Elektrozäunen einzäunen. Rund 100 Tiere – eigene sowie Pensionsvieh – weiden in den warmen Monaten rund um die Alm. Diese liegt in einem beliebten Wandergebiet, das, so Kern, auch zu Nicht-Corona-Zeiten schon stark frequentiert werde. Doch die Zahl der Touristen hätte im Lockdown nochmal deutlich zugenommen. „Ich kann das ja völlig verstehen, wenn die Leute raus aus den Städten wollen“, sagt Kern. Die Gäste seien auch herzlich willkommen. Das Problem sei aber die Masse der Besucher. Und: „Nicht jeder macht sich darüber Gedanken, wie man sich in der Natur verhalten sollte“, so die Kreisbäuerin. Auf ihrer Almfläche nimmt das geradezu skurrile Formen an.
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